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Unrecht Gut - Ein Kommissar Kolm-Kurzkrimi [Kindle Edition]

von Ingrid Glomp

 

Klappentext / Kurzbeschreibung

Kommissar Kolm muss den Mord an der Bankangestellten Bettina Sanders aufklären. Wie sich herausstellt, hat sie eine runde Million unterschlagen. Ist das das Mordmotiv? Und wenn ja, wer wusste davon? Die Polizisten haben mit einem Baby, einem Dackel und einer Reihe störrischer Zeugen zu kämpfen. Wieder einmal zeigt sich: Geld macht nicht glücklich und Verbrechen zahlt sich nicht aus. Und beides zusammen ist tödlich.

Der gewitzte Kommissar Gernot Kolm und sein leidgeprüfter Assistent Oliver Kästing sind Krimihelden der alten Schule. Wie ihre Kollegen Sherlock Holmes und Dr. Watson oder Hercule Poirot und Captain Hastings lösen sie die vertracktesten Fälle. Kommissar Kolm-Geschichten sind klassische Whodunnits, bei denen zu Anfang ein Mord geschieht und der Ermittler unter Einsatz seiner kleinen grauen Zellen schließlich den wahren Täter entlarvt.

 

 

Inhalt und Umsetzung

Die Autorin hat zwei Charaktere geschaffen, die passen wie - Entschuldigung - "Arsch auf Eimer". Sie arbeiten offenbar schon so lange zusammen, dass sie ihre Sätze bereits gegenseitig ergänzen können:

""[...] Erinnern Sie mich dran, Kästing, dass ich bei Gelegenheit ein Wörtchen mit Schmitz an der Pforte reden. Es geht doch nicht, dass hier jeder Hinz und Kunz ..."

"... oder Seppi oder Waldi ...", ergänzte Kästing.

"... reinspaziert", beendete Kolm den Satz und stieg ins Auto.""

Die beiden haben über die Jahre (?) eine vertraute Art und Weise entwickelt, die es ihnen erlaubt, miteinander einen lockeren Umgangston zu pflegen.

 

Der in der Kurzbeschreibung gezogene Vergleich zu Sherlock Holmes und Dr. Watson (die damals ihrerseits durch Poes Chevalier C. Auguste Dupin sowie dessen namenlosen Freund inspiriert wurden) ist gar nicht so weit her geholt - der ist mir ebenfalls durch den Kopf geschossen, als ich bis zu dem oben zitierten Textauszug gelesen habe ... und das noch bevor ich mich mit dem Klappentext auseinander gesetzt hatte - kein Witz!

Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass ich erst letzte Woche die Erzählungen "Das gesprenkelte Band", "Der Schwarze Peter" sowie „Das letzte Problem“ gelesen habe?

 

Den Vergleich sollte die Autorin in jedem Fall als großes Lob auffassen - ich verehre die von Sir Arthur Conan Doyle erschaffenen Charaktere. Schön, dass Frau Glump Protagonisten mit einer ähnlichen Beziehung zueinander geschaffen hat: Freunde (oder zumindest fast), die sich dennoch durchs Siezen Respekt zollen - eben so wie man es auch von den alten Doyle-Übersetzungen gewohnt war.

Ob Frau Glumps Ermittler ähnlich brilliant ihre Fälle lösen, werde ich mir jetzt genauer ansehen (große Vorbilder fordern nun einmal einen genauen Blick auf die fiktiven Ermittlungen heraus ^^)

Nun, zumindest liegt der Verdacht nahe, dass der Name des Kommissars (Kolm) von Holmes und der Name des Assistenten (Kästing) von Captain Arthur Hastings abgeleitet wurden.

 

Aber zunächst werfe ich ein Auge auf das Handwerkliche: wie schon im Zitat zu sehen ist, gibt es in der Kurzgeschichte die ein oder andere Unaufmerksamkeit ("reden" statt "rede"). Zugegeben: wenn ich diese Textstelle nicht abgetippt hätte, wäre es mir wahrscheinlich nicht mal aufgefallen. Aber nun ja: passiert ist passiert. Ist ja auch keine Schande. Tippfehler passieren den Besten. Und solange es sich im Rahmen hält, sehe ich das nicht so eng.

Und es gibt wirklich nicht viel zu beanstanden. Auf 13 % fiel mir ein fehlender Punkt auf. Auf 69 % fehlt ein Anführungszeichen. Alles in Allem also Lappalien. (Da dürften sich in meiner Rezension mehr Fehler tummeln, als in Frau Glumps gesamten Text.)

Das Layout ist im angenehmen Blocksatz gehalten.

 

Der auffälligste Unterschied zu den Holmes-Erzählungen liegt recht schnell auf der Hand: Frau Glump wählt die dritte Person Singular Präteritum, statt der ersten Person Singular wie es bei Doyle oder Poe üblich war. Der nächste Unterschied ist die moderne Sprache, die darauf fußt, dass Frau Glump ihre Protagonisten in unserer Zeit agieren lässt.

Jetzt könnte ich auf Holmes Affinität zu Opium und Pfeife eingehen - aber ehrlich gesagt, sollte ich es wohl nicht übertreiben, was? ;o)

 

Die Polizisten werden zu einem Leichen-Fundort gerufen, um sich die erwürgte Bettina Sanders anzusehen. Laut der Ärztin vor Ort (die den herrlichen Namen Fr. Dr. Karlsbad-Löffelholz trägt) ist die Tote am Vorabend verstorben. Und nun heißt es: den Mörder finden.

 

Wie es sich für ein Whodunnit (vom Englischen "Who has done it?" zu dt. "Wer hats getan?") gehört, hangeln sich die Ermittler von einer Spur zur nächsten, klappern einen Zeugen nach dem anderen ab - stets auf der Suche nach Hinweisen und Motiven. So etwas macht mir Spaß, denn dann ich kann mich als Leser selbst als "Fährtenleser" versuchen.

 

Die Beschreibungen sind zweckmäßig. Oft handelt die Autorin auf einer Seite einen Schauplatz ab und versetzt den Leser sofort in die nächste Handlung. Trotz dieser Eile findet man sich zurecht. Der von Frau Glump verwendete Schreibstil ist locker und leicht und somit sehr angenehm zu lesen, auch wenn ich mir manchmal etwas mehr Flair gewünscht hätte. Die Geschichte lebt vor allem von der Beziehung der beiden Protagonisten zueinander. Sie erreicht nicht ganz die Atmosphäre und den Charme, wie sie ein Werk von E. A. Poe oder Sir A. C. Doyle erreichte, aber dies zu vollbringen, ist objektiv betrachtet ohnehin schlichtweg unmöglich. Ganz besonders, da es sich um eine moderne Erzählung handelt. (Selbst die, von der BBC produzierte, und von mir sehr geliebte, moderne Fassung "Sherlock" hat bei aller Raffinesse nicht an den Charme der viktorianischen Schauplätze herangereicht.)

 

Aber es geht hier ohnehin "lediglich" um ein Vorbild, an dem sich die Autorin orientiert hat. Und diese Orientierung funktioniert sehr gut. Die Protagonisten sind trotz der Kürze des Textes und des "Hetzen" durch die Handlungsorte stimmig und sympathisch. Das zu erreichen ist eine große Kunst. Von diesem Gesichtspunkt her also schon einmal ein "Chapeau" von mir.

 

Komme ich zur Verbrecherjagt an sich: es werden ausreichend Verdächtige aufgebaut, ohne dass es zu viel wirkt. Es gibt einige Male ein "Hin und Her" in den Spuren, welche die Protagonisten in regelmäßigen Abständen kurz in Gesprächen zusammenfassen. Mir persönlich war es zu häufig, denn ich rate gern mit. Aber dieser Umstand fällt ganz gewiss unter Geschmackssache.

Manchmal gibt es "gerade zum rechten Moment" eine neue Spur von der KTU (Kriminaltechnische Untersuchung). Die Spurensicherung und -auswertung wird also von der Autorin, im Gegensatz zu ihren Vorbildern, ausgelagert. Das ist vollkommen in Ordnung, da es den tatsächlichen Umständen der heutigen Zeit entspricht. Im Gegenteil hätte es mich sehr irritiert, hätten Gernot Kolm und Oliver Kästing eine kleine Laborküche in ihrem Keller zur Verfügung ;o)

 

Die Autorin ist sich darüber hinaus sehr bewusst, was sie tut - und lässt ihre Protagonisten genußvolle Seitenhiebe auf das Genre verteilen:

(Achtung SPOILER)

"Selbst wenn er nur einen Verdächtigen statt einer ganzen Schar vor sich hatte, ließ der Chef es sich offensichtlich nicht nehmen, mit seiner Klugheit zu prahlen. Kästing seufzte. Das konnte dauern."

(SPOILER ENDE)

 

Die Auflösung ist schlüssig, und - was mich persönlich ganz besonders befriedigt hat - zumindest bei einem Teil der Beweiskette war ich dem cleveren Kolm einen Schritt voraus. Allerdings erst kurz vor knapp, so dass sich mir der Verdacht nicht aufgedrängt hat, der Protagonist sei nicht ganz so klug wie er tut. 

Jaaa, so mag ich Krimiunterhaltung.

 

Mhm ... na ja. Und wieder einmal ist meine Rezension sehr, sehr ausführlich geraten. Aber das war es mir für diese Erzählung durchaus wert.

 

Zusatz

Ich habe soeben geschmult (nach Fertigstellung der Rezension): Auf ihrer Autorenseite präsentiert sich Frau Glump als Schreibprofi. Das sieht man ihrem Text wirklich an und es erklärt ihre Sicherheit im Handwerk.

Besonders drollig finde ich jedoch, dass wir uns die Geburtstadt, das Studienfach und sogar die Uni geteilt haben. Die Welt ist offenbar recht klein :-)

 

 

Fazit

Eine schöne, leicht zu lesende, recht spannende Whodunnit. Diese Autorin werde ich mir für die Zukunft merken ... ach, was für ein ausgelutschter Satz - aber was soll ich machen? Er stimmt.