... meine Rezensionen

Dein Wille geschehe

von Michael Robotham

 

Klappentext

„Es gibt einen Moment, in dem alle Hoffnung vergeht, aller Stolz schwindet, alle Erwartung, aller Glaube, alles Sehnen. Dieser Moment gehört mir. Dann höre ich den klang einer zerbrechenden Seele. Es ist kein lautes knacken wie von splitternden Knochen, wenn ein Rückrat bricht oder ein Schädel birst. Auch nicht weich und feucht wie ein gebrochenes Herz. Es ist ein klang, bei dem man sich fragt, wie viel Schmerz ein Mensch ertragen kann; ein Laut, der das Gedächtnis zerschmettert und die Vergangenheit in die Gegenwart sickern lässt: ein Ton, so hoch, dass nur die Hunde der Hölle ihn hören können.“

 

 

Inhalt und Umsetzung

Dieses Buch ist der vierte Band einer Serie um den klinischen Psychologen Joseph O'Loughlin.

Er wird zu Beginn des Bandes von der Polizei zur Hilfe geholt, da eine vollkommen nackte Frau in High-Heels im strömenden Regen auf einer Brücke steht und droht zu springen. Sie ist ansprechbar, hält jedoch die Ganze Zeit über ein Handy ans Ohr gepresst. Trotz seiner Bemühungen, die Frau von ihrem Freitod abzuhalten, gelingt es ihm nicht, das Unglück zu verhindern.

Einige Tage später wird eine Geschäftsfrau aufgefunden, die – ebenfalls nackt – an einen Baum gekettet erfroren ist. Auf dem Boden neben ihren Stiefeln wird ein Handy gefunden.

Die Polizei geht von unabhängig voneinander begangenen Suiziden aus und droht die Fälle ad acta zu legen. Lediglich Joseph glaubt daran, dass die Frauen manipuliert wurden. Er holt seinen Freund Vincent Ruiz, einen pensionierten Polizisten, zur Unterstützung.

Irgendwie hat das Buch also alles, was sich für einen guten Thriller gehört: mysteriöse Morde (deren Vollendung man als Leser sogar unmittelbar beiwohnt), Polizisten, die mehr oder weniger das gängige Klischeé erfüllen. Einen Protagonisten, der glaubhaft in die Geschichte eingebunden wird, ohne selbst direkter Teil des Ermittlerteams zu sein. Am Ende die direkte und unausweichliche Konfrontation mit dem Killer.

Bisher also solide Kost.

 

Was aber macht das Buch für mich erwähnenswert? Was sind die Zutaten, die gereicht haben, dass ich mich noch an den Roman erinnere? Denn seit ich ihn gelesen habe, ist über ein Jahr vergangen.

 

Wie erwähnt ist das Buch ein Teil einer Serie. Aber es ist nicht notwendig, die ersten Teile gelesen zu haben (ich kenne sie nicht – habe mir aber inzwischen einige bestellt). Die Einführung in die Charaktere ist professionell gestaltet. Der Protagonist des Buches - Joseph O'Loughlin – kommt dem Leser auf der ersten Seite entgegen, in dem er sich seinen Studenten während einer Vorlesung als klinischer Psychologe vorstellt. Ein Dozent also. Jemand, der von Berufs wegen darauf angewiesen ist, seinen Zuhörern Fakten zu vermitteln. Jemand, der das Reden gewohnt ist. Und er erzählt virtuos. Manchmal vielleicht etwas zu bildhaft. (Erster Satz „Es ist elf Uhr morgens, Ende September, und es regnet so heftig, dass Kühe in den Flüssen treiben und Vögel auf den aufgeblähten Kadavern hocken“)

 

Michael Robotham, der Joseph die Geschichte aus der Ich-Perspektive erleben lässt, arbeitete als Journalist. Was fällt mir dabei als erstes ein? Richtig! Er erfüllt ein Klischeé. Kaum ein Journalist, der sich nicht als Autor versucht. Robotham hat aber die Fähigkeit, packender und spannender zu erzählen, als ich es von vielen seiner Kollegen kenne. Auch wenn ich das Buch stückchenweise (hauptsächlich in Bus und Bahn) genossen habe, habe ich den Faden nie verloren.

(Etwas, das mich zugegebenermaßen irritiert hat, ist der Gebrauch des Präsens. Aber das ist lediglich Geschmacks- und Gewöhnungssache und behindert das Lesen nach einigen Seiten nicht mehr sonderlich.)

 

Handwerklich ist „Dein Wille geschehe“ also hervorragend umgesetzt. Der Protagonist ist zudem ein sympathischer Kerl, den man gern um sich hat. Er hat Frau und Kind. Normalerweise stört mich das in Thrillern. Sie werden oft als schwache Opfer in das Geschehen eingestreut, oder nehmen einfach (Seiten)Platz weg. Hier passen die beiden in die Geschichte. Robotham hat sich die Mühe gemacht, ihre Charaktere soweit auszufeilen, dass sie glaubhaft daherkommen und nicht als notwendiges Anhängsel.

 

Und Joseph O'Loughlin hat einen „Fehler“: bei ihm wurde Parkinson diagnostiziert. Das ist mal etwas anderes: Peter Falks Columbo hatte (zwangsweise) ein Glasauge (wurde das je erwähnt?), unendlich viele Kriminalisten schlagen sich mit der einen oder anderen Drogensucht herum (angefangen bei Sherlock Holmes Opiummissbrauch). Aber Parkinson? Das ist neu. Das ist ausbaufähig. Das ist eine schleichende Bedrohung, die Joseph früher oder später lahm legen wird. Robotham gelingt es dieses Manko in den Text zu streuen, ohne dass es aufdringlich wird.

 

 

Fazit

Sechshundert Seiten, die sich unbedingt lohnen!