... meine Rezensionen (Experiment)

Irgendwann holt es dich ein

von Jane Hill

 

Vorbemerkung

Vor einiger Zeit hatte ich in einem Forum versucht ein Experiment ins Leben zu rufen: Ich hatte mir vorgenommen, mir ein Buch zu schnappen und es Abschnittsweise zu lesen und zu bewerten.

 

Für dieses Experiment hatte ich mir Jane Hills "Irgendwann holt es dich ein" ausgesucht. Hier können Sie also lesen, was daraus geworden ist.

 

Abschnitt eins

Seitenzahlen 7-75 der Taschenbuchausgabe

 

Klappentext

"„Wir haben etwas furchtbares getan.“

Mit diesem rätselhaften Geständnis einer Schulfreundin gerät das Leben der jungen Radiomoderatorin Kate in Gefahr. Morde im Bekanntenkreis, Drohbriefe und eine makabre Lieferungen von Kindersärgen rauben ihr beinahe den Verstand. Denn sie weiß: Sie soll als Nächste sterben und das Motiv dafür liegt in der Vergangenheit."

 

 

Inhalt und Umsetzung

Es fängt alles damit an, dass die in einer „Beziehungspause“ lebende, ungewollt kinderlose, Kate nach einer Nacht mit ihren Freundinnen allein mit der U-Bahn unterwegs ist, um nach Hause zu fahren. Sie verhält sich wie jeder andere auch, als eine sturzbetrunkene Frau zu ihr ins Abteil taumelt – Kate versucht sie zu ignorieren.

Als die Bahn einen außerplanmäßigen Halt im Tunnel macht, beobachtet Kate, dass die Betrunkene wie wild und lauthals versucht jemanden telefonisch zu erreichen. Ein Fahrgast erbarmt sich der Betrunkenen und versucht sie zu beruhigen. Als die Protagonistin gerade glaubt, dass der Kelch an ihr vorbei gegangen ist, weil die Bahn wieder an Fahrt aufgenommen hat und den nächsten Bahnhof ansteuert, erkennt Kate in der Betrunkenen Frau ihre alte Schulfreundin Hattie, die sie seit 20 Jahren nicht gesehen hat. Plötzlich von Schuldgefühlen gepeinigt, folgt Kate ihrer Freundin aus der U-Bahn heraus und will ihr helfen. Gerade als sie sie erreicht und an der Schulter packt, dreht sich Hattie mit Panik in den Augen zu ihr um und stammelt: „wir haben etwas furchtbares getan.“. Gleich darauf lässt sich Hattie vor einen fahrenden Zug fallen.

 

Kates erste Reaktion ist der Rückzug. Sie versteht die Sorge der Notärzte nicht, die sie nach dem Suizid der Freundin versorgen. Sie schottet sich emotional komplett von ihrem Mann ab, nachdem sie ihn zunächst im Hotel angerufen und ihm weinend berichtet hatte, was passiert war. Dieser Ausbruch bleibt der einzige. Er kommt nach Hause. Er will sie trösten. Sie ist kalt. Sie gibt ein sachliches Interview zu dem Vorfall am Telefon, während er fassungslos daneben steht. Sie ist verzweifelt um Professionalität bemüht. Sie geht bald nach dem Unglück wieder in ihrer Radiostation auf Sendung.

 

In Rückblenden wird berichtet, dass sie und Hattie zusammen eine Eliteschule besucht hatten. Hattie stammte aus gutem Hause. Ihre Eltern waren erfolgreich. Die Mutter eine Schauspielerin. Ein Beruf, den die Tochter später ebenfalls ergreift und mehr oder weniger in einer Soap Opera ausführt. Hattie war quasi ein Paradiesvogel. Laut. Selbstbewusst. Modisch auffällig. Ständig betrunken. Schon damals.

Das Gegenteil war Kate: ihr hatte ein Stipendium den Besuch der Eliteschule ermöglicht. Sie hatte nicht dort sein wollen. Aber ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass sie die Gelegenheit wahrnahm, nicht auf einer staatlichen Schule verkümmern zu müssen.. Kate war die graue Maus der Schule. Die Außenseiterin. Dass sie und Hattie befreundet waren, lag wohl einzig und allein an Hattie, die Kate um sich geduldet hatte – immer dann, wenn niemand besseres in Reichweite war.

 

Aktuell sitzt Kate bei Hatties Mutter Rosemary auf dem Sofa und wünscht sich weit fort zu sein, da sie erkennt, dass Rosemarys beste Zeiten vorüber sind und sie die Freundschaft der beiden positiver interpretiert als sie tatsächlich war. Kate vermutet Senilität bei der Frau, die ihre siebzig erreicht hat, als die ältere sie auffordert, ihr zu folgen – sie hätte ihr etwas zu zeigen.

 

 

Eindrücke

So unsympathisch Kate in dieser Zusammenfassung weg kommt, so sehr kann ich mich in sie hinein versetzen:

Ein Besoffener in der U-Bahn? Wie oft reißen wir uns darum, dem armen Kerl auf den Platz neben uns zu hieven und ein Pläuschchen mit ihm zu halten. Wenn er zudem herum schreit oder mit sich selbst sabbelt, fällt uns das natürlich besonders leicht ...

Ernsthaft: Niemand kann mir erzählen, dass er sich nicht zumindest peinlich berührt fühlt, wenn der Billigkorn von Lidl ihm gegenüber Platz nimmt und ausdünstet. (Nicht dass es zu Missverständnissen kommt: ich verurteile niemanden, der sich ab und zu mal besäuft und auch niemanden, der alkoholkrank geworden ist. Ich finde es aber trotzdem unangenehm, wenn sich ne Schnapsleiche mir gegenüber im Bus platziert.)

 

Kate, die sich kaltherzig von ihrem Mann zurückzieht? Kate scheint kaltherzig, ja. Besonders in den Passagen, die aus der Perspektive ihres Mannes Neil erzählt werden. Aber sie ist es nicht. Sie macht genau das, was ich auch mache, wenn es mir nicht gut geht: das Thema wird vermieden. Solange, bis es Zeit ist, darüber zu reden (vielleicht wird Kate sich noch aussprechen – das bleibt abzuwarten.) Irgendwie ist es endlich mal was anderes: eine Frau, der was schreckliches passiert ist, rennt eben nicht zum starken Mann und flennt sich die Augen aus. Sie versucht Normalität zu schaffen. Sie geht wieder arbeiten. Sie macht ihren Job so gut es ihr möglich ist. Vielleicht auch, weil sie Angst hat, dass ihr auf Effizienz geeichter Chef sie raus wirft, wenn sie die Quoten nicht bringt. Denn ein Rauswurf wäre der SuperGAU.

 

Sogar die Kate in den Rückblenden (die in diesem Buch bisher in einem unerfreulich hohen Anteil und zudem im Plusquamperfekt stattfinden) auftaucht, kann ich nachfühlen. Sie klammert sich an eine Freundin, die keine ist. Hattie ist ein Biest! Basta! Sie nutzt Kate aus. Und Kate lässt es mit sich geschehen. Kate weiß es die ganze Zeit. Trotzdem steht sie auf Abruf bereit. Hattie schnippt mit den Fingern – Kate kommt gelaufen. Schrecklich.

 

Aber Kate überlebt Hattie. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Die beiden hatten zwanzig Jahre lang keinen Kontakt. Als sie sich wiedersehen ist Hattie offensichtlich ein Wrack.

Allerdings scheint sie Kate im übertragenen Sinne mit sich ins Verderben zu reißen.

 

 

Was ich erwarte

Die Einführung der Personen scheint abgeschlossen zu sein. Ich kenne die jetzige Kate, ich kenne den jetzigen Neil ich kenne die jetzige Rosemary. Ich kenne Teile der Vergangenheit von Kate und Hattie. Es wird also Zeit für etwas mehr Spannung in der Geschichte. Bisher sieht es für mich danach aus, dass eine klassische Detektiv-Geschichte folgen wird. Rosemary hat Kate zu sich gerufen und ihr eröffnet, ihr etwas zeigen zu wollen. Demnach erwarte ich mir die zweite Wendung in der Geschichte (die erste war der Suizid). Wahrscheinlich wird Rosemary davon überzeugt sein, dass ihre Tochter nicht freiwillig aus dem Leben geschieden ist? Vielleicht wird Kate sich zunächst sträuben ihr zu glauben? Letzten Endes wird sie sich in die Recherchen stürzen. Zusammen mit ihrem Mann. Beide sind nämlich – passender Weise – Journalisten (an dieser Stelle: *stöhn*). Ich gehe schwer davon aus, dass Neil und Kate wieder zueinander finden werden.

 

 

Fazit

Solide. Nicht überragend. Kate ist stimmig konstruiert.

Ich werde weiter lesen.

 

Abschnitt zwei

Seitenzahlen 75-150 der Taschenbuchausgabe

 

Inhalt und Umsetzung

Kate wird von Hatties Mutter Rosemary ins Vertrauen gezogen. Hattie war offensichtlich nach mehreren Versuchen für längere Zeit trocken gewesen und zu ihrer Mutter gezogen, damit sie den Versuchungen des Alkohol nicht länger allein stand halten musste. Rosemary erklärt Kate, dass Hattie Pakete von einem Fremden erhalten hatte, in denen Schnaps verschickt worden war und ihre Tochter in Folge wieder „drauf“ kam. Rosemary hält Hatties Suizid daher für einen Mord und bittet Kate darum, der Sache auf den Grund zu gehen. Es ist ihr wichtig, dass Kate Neil – ihren Mann – mit in die Untersuchungen einbezieht.

 

Auf der Beerdigung von Hattie sieht Kate eine weitere ehemalige Mitschülerin: Susan. Nach wie vor von Susan verunsichert möchte Kate ein längeres Gespräch vermeiden, tauscht aber ein paar Höflichkeiten mit ihrer ehemaligen Mitschülerin aus und stellt fest, dass Susan über die Jahre einiges an Gewicht zugelegt hat – ohne jedoch ihren Charme verloren zu haben. (Was das Eine mit dem Anderen zu tun hat? Keine Ahnung - aber Kate hält es für erwähnenswert.)

 

Während der Beerdigung verliert Kate ihre Fassung und öffnet sich ihrem Mann das erste Mal. Das ändert aber nichts daran, dass Neil und sie weiterhin getrennt bleiben. Kate bittet ihren Mann sogar um die Scheidung.

 

Im Büro findet Kate ein an sie adressiertes Päckchen in dem Utensilien verpackt sind, die für Neugeborene gebraucht werden. Es wird deutlich, dass Kate keine Kinder bekommen kann und bereits drei Fehlgeburten hinter sich hat.

 

Sie wird von einer aufgeregten Susan angerufen und macht sich auf den Weg zu ihrer Klassenkameradin, obwohl sie sich die ganze Zeit über fragt, ob es nicht ein erneuter Streich der mental stärkeren sein könnte. In der Scheune der Anruferin angekommen, stellt Kate fest, dass sich Susan erhängt hat. Noch während Kate die Leiche fassungslos anstarrt, werden beide von Susans dreizehnjährigen Tochter gefunden.

 

Der Ehemann Susans berichtet, dass in den letzten Wochen Briefe mit Zeitungsausschnitten angekommen waren, in denen besonders effektive Diäten vorgestellt werden.

 

Kate erhält von ihrem Vorgesetzten eine mündliche Abmahnung, da sie durch den überstürzten Besuch bei Susan einen wichtigen Interviewtermin vergessen hatte.

 

Ein unbekannter hat Kate bei einem Forum für junge Mütter und Fehlgeburten angemeldet und entsprechende Mails überschwemmen Kates Outlook.

 

 

Eindrücke

Naaaa klar. Da haben wirs: Rosemary glaubt natürlich nicht an einen Suizid ihrer Tochter. Und natürlich fragt sie die Journalistin um Hilfe. Die – wie praktisch – mit einem weiteren Journalisten verheiratet ist. Hatte ichs erwartet? Und wie ich das hatte!

 

Was ich außerdem erwartet hatte: dass Kate sich ihrem Mann gegenüber öffnen würde. Soweit so gut. Nur leider vollführt Kate eine Drehung um 180°. Seit der Beerdigung ist sie ständig darum bemüht ihre Tränen zurückzuhalten, nicht gleich los zu heulen, nicht zu weinen, ihre Fassung zu bewahren ... Das nervt! Aber gewaltig!

Liebe Mrs. Hill, ich habs verstanden: Kate ist durch den Wind. Ist klar. Ist verständlich. Aber muss ich das auf jeder zweiten Seite lesen? Wie wollen sie das noch steigern? Spätestens nach dem Fund des Paketes mit Babysachen ist doch wohl klar, wer die nächste auf der Stalkerliste ist! Das wiederum sollte bedeuten, dass Kate noch weiter gestresst wird. Wie also bitte schön wird sie sich dann verhalten? Ständig flennen? Falls ja: prost Mahlzeit! Ich wünsche mir vorbeugend eine Packung Antidepressiva für die Protagonistin.

 

Und dann der Ehemann! Ich habe Verständnis dafür, dass man sich als Autor in ein Bild oder eine Floskel verliebt, aber ist es nötig, dass Neil merkt, dass er sich Kate gegenüber falsch geäußert hat, nachdem er den Mund aufgemacht hat? Und das mehrfach? Beschi*** Eigenschaft für einen Journalisten, oder? Das sollten sie, Mrs Hill, am besten wissen!

 

Nun ja. Bleibt noch der (vorgeschobene) Grund für Kates fast-Flennerei: die Tochter des zweiten Opfers. Die dreizehnjährige Josie. Kate scheint Muttergefühle entwickelt zu haben. Und das innerhalb von Minuten. Ob das möglich ist? Sicher ist es das. Meine eigene biologische Uhr tickt hartnäckig. Und ich selbst vernarre mich in Kinder – und das innerhalb von Sekunden. So gesehen kann ich Kates Empathie dem Mädchen gegenüber sogar nachvollziehen. Aber ich möchte das nicht ständig lesen müssen... Zumal Josie noch ihren Vater hat. Was also veranlasst Kate, sich um Dinge Sorgen zu machen, die sie nichts angehen? Sie hat zur Zeit genug eigene Probleme.

 

 

Was ich erwarte

Kate wird zum nächsten Stalkeropfer – die Paketsendungen aber ganz sicher überleben und sich nicht selbst töten. Ich gehe weiterhin davon aus, dass sie einer Kündigung nur knapp entgehen wird.

Neil wird ihr brav zur Seite stehen und ihr bei der Lösung des Falles helfen. Währenddessen wird er sich selbstverständlich ihr gegenüber nach bekanntem Schema zum Vollhorst machen.

Da es noch Überlebende der ursprünglichen Eliteschule-Clique gibt, wird es möglicherweise noch ein, zwei weitere Todesopfer geben.

Da Josie noch ihren Vater hat, dürfte es nicht darauf hinauslaufen dass Kate das Kind adoptiert – obwohl ich irgendwie das Gefühl habe, dass sie das sonst in Angriff nehmen würde.

 

 

Fazit

Ich bin genervt!

 

Abschnitt drei

... habe ich nie geschrieben

 

Nun, um der Wahrheit die Ehre zu geben:

Ich meine mich zu erinnern, dass ich das Buch damals tatsächlich zu Ende gelesen hatte. Denn mir spukt noch ein Showdown auf dem Dach der Eliteschule durch den Kopf.

(ACHTUNG! Die nächste Zeile enthält SPOILER!)

Irgendwas mit zwei Frauen. Eine davon wird wohl Kate gewesen sein.

 

Mhm ...

 

So gesehen hat mich das Buch offensichtlich schwerstens beeindruckt, was?

 

Gemessen daran, wie schnell ich damals das Interesse verloren hatte, würde ich wohl sagen:

 

 

Fazit

Nicht empfehlenswert!

 

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