... meine Rezensionen
Schweigeminuten. Gruselgeschichten [Kindle Edition]
von Karin Reddemann
Klappentext / Kurzbeschreibung
Warum wünscht sich ein Mädchen in einer Leichenhalle zu liegen und aufzuwachen in einem weißen Nachthemd aus Spitze, das dem Totenhemd ihrer Tante ähnelt? Wer ist der Tote Mann auf dem Bett, in
dessen Hals ein Schraubenzieher steckt? Wem gehört der Ring, der im Garten unter einer Zeder vergraben wurde? Kann ein harmloser Teddybär zum Mörder werden? Warum kann es verhängnisvoll sein, ein
Einmachglas fallen zu lassen oder als Kind an seinem Zeh zu lutschen? Wer waren die Personen, die auf dem alten Gemälde ohne Augen dargstellt sind und was ist ihr Geheimnis? …
Karin Reddemanns Geschichten erwecken alltägliche Ängste und düstere Bilder und entführen den Leser in eine verstörte und verstörende Welt.
Inhalt und Umsetzung
Da ist sie also wieder: Frau Karin Reddemann.
Eine Autorin, an der sich offenbar die Geister scheiden. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls gewonnen, als ich mir die Rezensionen auf einem bekannten Onlineportal ansah. Oftmals wird die Autorin mit schlechten Bewertungen abgekanzelt, die mit dem Hinweis versehen sind, dass die von Frau Reddemann geschriebenen Kurzgeschichten anstrengend, öde, trocken, unvermittelt und/oder schwierig sind.
Nun, das sind sie wohl auch.
Zumindest die Anthologie "Toter Besuch" hat mir vor einigen Tagen so einiges abverlangt. Aber Hallo!
Nach Lektüre der ersten drei Seiten hatte ich damals felsenfest damit gerechnet meine Bewertung negativ gestalten zu müssen. Nachdem ich mich dann aber intensiv mit den Texten auseinander gesetzt hatte, wurde ich eines besseren belehrt und war positiv überrascht.
Frau Reddemann verlangt genau das von ihren Lesern, was ich mir als Konsument wünsche: höchste Aufmerksamkeit und die Bereitschaft dazu, zwischen den Zeilen zu lesen - und gegebenenfalls "Fehlendes" selbstständig zu "füllen".
Nun bin ich über die Anthologie "Schweigeminuten" gestolpert und meine Neugier hat mich dazu verleitet auf "Kaufen" zu klicken. Hält die Autorin in dieser Anthologie das, was ich mir von ihren Geschichten erhoffe?
Nun, den Service wie in meiner letzten Rezension kann ich dieses Mal aus Platzgründen nicht bieten: eine detailierte Auseinandersetzung der einzelnen Geschichten. So werde ich mich leider auf einen kurzen, stakkatoartigen Überblick beschränken müssen.
Geschichte eins: Angst in Weiß
Geschichte eines Kindes, das sich anders, als von der Mutter erhofft, und vom Bruder vorgelebt, für das Morbide interessiert. Macht als junge Frau(?) die Bekanntschaft mit einer Abart dessen, was sie sich sehnsüchtig wünscht.
* erste Person Singular, Präteritum
* wörtliche Rede spärlich vorhanden, allerdings handwerklich mitunter fehlerhaft umgesetzt (Letzteres gilt für alle Erzählungen in dieser Anthologie)
* Sprachlich eventuell an Vorbildern wie E. A. Poe orientiert, vermischt mit der deutlichen Wortwahl von St. King.
* Nähe zur Protagonistin wird nicht aufgebaut. Es fehlen unter Anderem Gefühls-Beschreibungen.
* eine der längeren Geschichten dieser Anthologie
* Finaler Twist? Nicht wirklich. Aber dafür ein fieses Ende.
* Mag ich diese Kurzgeschichte? Bin mir nicht sicher. Sie "hallt" jedoch nach.
Geschichte zwei: Luzies Nächte
Die Protagonistin Gilla wacht, nach einem sexuellen Abenteuer, nackt neben einer Leiche auf.
* dritte Person Singular, Präteritum
* wie bei Frau Reddemann üblich, wird weitestgehend auf wörtliche Rede verzichtet
* deutliche Wortwahl, dennoch lediglich ein vager Eindruck der Umstände
* Auch hier fehlt die Nähe zur Protagonistin
* sehr, sehr kurze Kurzgeschichte
* Finaler Twist vorhanden.
* Gefällt mir die Geschichte? Joah. Denke schon.
Geschichte drei: Freundschaftsdienst
Es handelt sich um einen von einer Protagonistin verfassten Brief
* erste Person Singular, Präsens mit Rückblicken im Präteritum
* keine wörtliche Rede im "klassischen Sinne" (Wie denn auch?)
* mitunter auffällig abgehackte und kurze Sätze - daher ein hecktischer, atemloser Gesamteindruck
* deutliche, derbe Wortwahl
* recht kurz.
* Finaler Twist? Nicht wirklich.
* Gefällt mir die Geschichte? Ja. Ich hatte eine Gänsehaut.
Geschichte vier: Haffners Nächte
Die Protagonistin Nina erzählt von Erlebnissen die im Zusammenhang mit Haffners Ring stehen.
* erste Person Singular, Präteritum
* wie üblich ist die wörtliche Rede eher selten zu finden
* wie üblich vage gehaltene Beschreibungen, manchmal deftige Wortwahl
* eine der längeren Erzählungen in dieser Anthologie
* Finaler Twist? Nein.
* Gefällt mir die Geschichte? Nein. Sie dröppelt vor sich hin.
Geschichte fünf: mein Teddi
Es geht um den Teddi Toldi, der offenbar zum Mörder geworden ist
* erste Person Singular, Präsens vermischt mit Präteritum
* wörtliche Rede ... man kennt das ja (nur spärlich)
* sehr kurze Geschichte, wie immer recht vage gehalten
* finaler Twist? Nein.
* Gefällt mir die Geschichte? Nein. Ich bin ehrlich gesagt etwas genervt.
Geschichte sechs: Omas Baby
Eine Geschichte über eine Wiedergängerin und eine Ghostwriterin
* erste Person Singular, Präteritum
* wörtliche Rede häufiger als bei Frau Reddemann üblich
* nicht ganz so vage (könnte an der wörtlichen Rede liegen)
* eine recht kurze Erzählung
* Finaler Twist? Ja.
* Gefällt mir die Geschichte? Ja.
Geschichte sieben: Käferstunde
Die Geschichte eines Schriftstellers, der mit einem "Kindheitstrauma" kämpft
* erste Person Singular, Präsens
* wörtliche Rede vorhanden, aber wie immer spärlich
* vage gehalten, mit den üblichen derben Ausdrucksweisen
* Finaler Twist? Nein.
* Hat mir die Geschichte gefallen? Nein. Ich weiß nicht mal, was mir da überhaupt erzählt werden sollte.
Geschichte acht: Schweigeminuten
Thomas Gregorian und Lisa Thössen finden auf dem Speicher ein Bild aus den Dreißiger Jahren.
* dritte Person Singular, Präteritum und erste Person Singular, Präsens
* wörtliche Rede häufiger vorhanden als sonst, zudem Tagebucheinträge
* dieses Mal fühle ich mich "näher dran" als in den anderen Geschichten.
* wie üblich durchaus auch vulgäre Wortwahl.
* Wohl die längste Geschichte dieser Anthologie.
* Finaler Twist? Ja. Und vorher gibt es zudem ebenfalls einige Wendungen.
* Hat mir die Geschichte gefallen? Ja. Zumindest bis kurz vor Schluss. Da ist es mir dann zu "dick aufgetragen". Dennoch hatte ich zwischendurch ordentlich Gänsehaut.
Der Sprachstil in dieser Anthologie ist sehr mit dem in "Toter Besuch" vergleichbar. Wirklich Abwechslung bietet er also nicht. Die erste Geschichte erinnert vom Stil her ein wenig an E. A. Poe, während die anderen stark an St. King erinnern - ohne jedoch die gleiche Detailverliebtheit aufzuweisen. Leider. Da hätte ich mir etwas mehr Möglichkeit zur Identifikation mit den Protagonisten gewünscht.
Auch hatte ich mir bei dieser Fülle an Geschichten erhofft, zu erleben, dass Frau Reddemann in der Lage ist, ihren Schreibstil der Geschichte anzupassen. Diese Hoffnung blieb unerfüllt. Mir fehlt die Abwechslung.
Orthographie, Interpunktion, Layout (Blocksatz) und Grammatik sind stimmig. Letzte ist bisweilen jedoch gewöhnungsbedürftig.
Das Cover ist dieses Mal geschickter gewählt als bei "Toter Besuch", vermittelt es doch die "Ruhe" und die "Vagheit", welche in den Geschichten der Antologie "Schweigeminuten" vorherrscht.
Plakativer Horror kann von dieser Anthologie nicht erwartet werden. Sie ist eher etwas für Leute, die auf vage Andeutungen stehen und auf Tiefgang verzichten können. Man ist als Leser niemals dirket dabei. Dazu fehlen einfach die detailierten (Gefühls-)Beschreibungen.
Man könnte sagen: es handelt sich bei dieser Anthologie um "special interest"-Literatur. Nichts für die breite Masse.
Und ich muss leider einräumen, dass mich "Schweigeminuten" nicht so sehr überzeugt hat wie "Toter Besuch". Das mag aber an der (weiter oben bereits angesprochenen) Eintönigkeit des sprachlichen Stils liegen.
Fazit
Frau Heddemann bleibt sich treu - aber ein wenig Abwechslung hätte dieser Anthologie durchaus gut getan. Die letzte Geschichte reißt es meiner Meinung nach aber noch mal raus.