... meine Rezensionen
Jungfrauenopfer [Kindle Edition]
von "Desmond Shark" / Martin Clauß
Klappentext / Kurzbeschreibung
Zusammen mit ihren Freunden, dem zappeligen Dominic und dem tumben Muskelpaket Ox, startet Cecile eine Reise ins Grauen: Sie wollen in ein verlassenes Kloster eindringen, die Aktion filmen und im
Netz veröffentlichen. Dominics Großtante war einst Nonne hier – sie starb in geistiger Umnachtung durch eigene Hand.
Cecile hat keine Angst. Sie ist fest entschlossen, der Internet-Gemeinde zu zeigen, dass Frauen sich von ein paar Spinnweben nicht ins Bockshorn jagen lassen. Doch im Inneren des alten Gemäuers
wartet schon seit langer Zeit etwas auf sie.
Nur auf sie …
Inhalt und Umsetzung
Es fängt recht vielversprechend an: das Bild eines alten verlassenen Klosters wird vermittelt und macht Lust auf mehr.
Der Autor verwendet die dritte Person Singular im Präteritum.
Orthographie, Interpunktion und Grammatik machen einen recht guten Eindruck, hier und dort gibt es Unstimmigkeiten, die jedoch zu verschmerzen sind. Das Layout ist im Blocksatz gehalten.
Leider gibt es hin und wieder Wortwiederholungen, die hätten vermieden werden können:
"Seit sieben Jahren bewohten nur Mäuse, Käfer und anders Ungeziefer die Mauern und die Ordnung, die das Ungeziefer schuf war eine andere."
Darüber hinaus verwendet der Autor eigenartige Satzkonstruktionen: "Sein gelbes Polohemd brüllte sie an."
Drei Protagonisten betreten das alte Kloster Brissandet am Ru de Creu, um mit einem Camcorder auf Youtube-Futter zu gehen: Cecile Ditton (19 Jahre), Dominic (20 Jahre) und Joel "Ox" Oxenville.
Die Protagonisten Cecile und Dominic sind lebendig gezeichnet. Sie blödeln miteinander rum, sie stocken, während sie sprechen. Alles in allem nehme ich dem Autoren ab, dass es sich um drei Jungendliche handelt, die sich auf ein Abenteuer einlassen. Während Dominik ihre Tour mit dem Camcorder aufnimmt, schwadroniert er beispielsweise mit voller Hingabe: "Ein kleiner Schritt für die Menscheit, [...] doch ein großer Schritt für die beherzten jungen Männer und Frauen ... und Frau, welche die von ihren Vorvätern ererbte tiefsitzende Furcht vor der absoluten Finsternis und der Zeit niederkämpfen und in Räume vordringen in denen sie ..." So was Unsinniges hätte vor fünfzehn Jahren durchaus auch von mir stammen können, wäre ich mit einer Kamera bewaffnet durch ein altes Gemäuer geschlurft.
Auch sonst hat der Autor eine charmante und augenzwinkernde Art seine Geschichte dem Leser näher zu bringen: "[...] ein schmutziger Baldachin, über Jahre hinweg gewebt von winzigen achtbeinigen Künstlern. Ein Reich des hundertfachen Todes - wenn man eine Fliege war."
Und endlich mal eine Protagonistin, die die Wahrheit erkannt hat: "Frauen waren couragierter als Männer. Männer waren Angsthasen. Deshalb brauchten sie auch all diese Filme und Bücher, in denen sie die großen Helden spielten und Frauen retteten." Schön :-)
Weniger schön finde ich, dass das auch als Aufhänger benutzt wird, um Cecile einen Selbstfindungstrip starten zu lassen - sie macht sich (ganz Horrorklischee) recht schnell allein auf den Weg durch die Klosteranlage.
Was mir den Lesespaß weiterhin verdorben hat, ist die Figur des Ox: er entspricht viel zu sehr dem Stereotypen des starken, breitschultrigen Dumpfschädels, der wenig redet und stattdessen seinen Körper für sich sprechen lässt.
Weiterhin leidet die Novelle daran, dass sie ihre Nähe zu den Protagonisten verliert, als ein weiterer Charakter die Bühne betritt. Möglicherweise liegt es daran, dass die Glaubwürdigkeit der Protagonistin nachlässt? Sie benimmt sich irgendwie ... aufmüpfig. Japp, ich denke, "aufmüpfig" passt ganz gut. Wahrscheinlich hat der Autor versucht eine Protagonistin zu zeichnen, die ihre Angst mit dummen Sprüchen überspielt - aber ich habe den Eindruck, er hat seine Bemühungen diesbezüglich übertrieben.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt verliert die Geschichte deutlich an Fahrt. Der Humor wird zurückgefahren, eine Bedrohung soll aufgebaut werden. Nur - letzteres gelingt dem Autor nicht wirklich. Die Gefahr wird zwar ausgiebig beschrieben, aber sie ist weder glaubhaft oder gar mitreißend.
Der Autor "Desomond Shark" ist offenbar ein Pseudonym von Martin Clauß. Von ihm habe ich bereits die Anthologie "Überbiss" gelesen. Diese hat mir weitaus besser gefallen. Ich bin mir nicht so recht sicher, woran es liegt, dass mich "Jungfrauenopfer" nicht wirklich überzeugt hat. Vielleicht hätte Herr "Shark" die Novelle ein wenig einkürzen sollen? Oder auf die trotzigen Sprüche der Protagonistin verzichten? Vielleicht entspreche ich auch nicht ganz der Zielgruppe, da ich eineinhalb Dekaden älter bin als die Protagonisten? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.
Was bleibt, ist eine Geschichte, die kurzweilig und flüssig zu lesen ist, in der hier und dort Humor durchblitzt, die jedoch nicht zu einer Satire taugt (ein Bereich, den Herr Clauß virtuos beherrscht) und an die ich mich wohl nicht lange erinnern werde.
Fazit
Durchschnittliche Horrorkost, die lebhaft beginnt, sich dann aber irgendwie verliert.