... meine Rezensionen
FLUCHT (HorrorThriller) [Kindle Edition]
von Simon Hill
Klappentext / Kurzbeschreibung
Alleine im Wald.
Umgeben von verrückten Jägern die nur eines wollen: DICH!
Eine rasante Jagd beginnt.
Kann sich Amy retten und dem Alptraum entkommen?
Inhalt und Umsetzung
Mit 18 geschätzten Seiten, oder - wie es in der Ära des Kindle neuerdings genannt wird - 253 Positionen, hat diese Kurzgeschichte eine angenehme Länge, die genug Zeit verspricht, um sich mit den Protaginisten ausreichend auseinandersetzen zu können. Das Cover wirkt professionell und würde in dieser Form wohl auch im Buchladen meines Vertrauens auftauchen. Das Layout ist im Blocksatz gehalten und das Schriftbild wirkt ansprechend.
Wie der Titel bereits verspricht, geht es in dieser Geschichte um eine Flucht: Die Protagonitin Amy rennt vor ihren Häschern davon. Parallel dazu genießt ihr Ehemann Jason seinen Feierabend mit einem guten Glas Rotwein.
Der Text ist in der dritten Person Singular im Präteritum gehalten.
Normalerweise bin ich ein Verfechter davon, möglichst sparsam mit Ausrufezeichen umzugehen. Dies ist jedoch die erste Geschichte, in der ich sie schmerzlich vermisse (und das unter anderem bereits im zweiten Satz):
"Schüsse waren zu hören. Bäm, bäm."
Mhm ... das kracht nicht. Mein inneres Auge hat sich ein Bild von diesen Kinderspielzeugpistolen gemacht. Sie wissen schon: die mit den roten Ringen, die eher knattern, als dass sie knallen. Ob eventuell "Bäm! Bäm!" mehr Wirkung erzielt hätte? Aber um ehrlich zu sein, hätte ich persönlich au diese Onomatopöie (Lautmalerei) verzichtet. Aber das ist Geschmackssache.
Auch der dritte Satz klingt seltsam:
"Es war eisig kalt draußen und ein frischer Windstoß streifte durch das nasse Laub, ebenso durch ihr blasses Gesicht."
Die eigenartigen Formulierungen ziehen sich immer mal wieder durch den Text.
"Plötzlich flogen Vögel erschreckend von den Baumwipfeln."
"Dann wäre sie leichtes Geschoss für die Verrückten."
"Zwar versuchte sie das Blut mit der Hand wegzumachen [...]"
"Es war die reinste Hölle, nicht nur wegen der höllischen Verfolgung [...]"
"Sie konnte das Blut in ihrem Körper schießen merken."
"Ihre Augen, die voller Tränen aus Angst waren [...]"
Und so weiter und so fort.
Es gibt einen Trick, dessen sich der Autor hätte bedienen können: einmal das Manuskript laut vorlesen. An den Stellen, an denen man als Verfasser selbst ins Stocken gerät, ist irgendetwas nicht ganz rund und könnte nachgeschliffen werden. Aber vielleicht sind einige der Formulierungen auch als Stilmittel des Autors zu begreifen und durchaus beabsichtigt? Aber ehrlich gesagt, glaube ich das eher nicht.
Manchmal unterlaufen dem Autor Fehler in der Verwendung des Tempus:
"Bald ist der Alptraum vorbei, dachte sie, ohne zu wissen, was noch auf sie wartet."
Auch im Gebrauch der "Punkte" ist er nicht immer sicher:
""Ich.....bra.....brau......brauche.....Hilfe....Hilfe...""
Richtig wäre gewesen:
""Ich ... bra ... brau ... brauche ... Hilfe ... Hilfe ...""
Die Substantive "Blut" und "Angst" finden ungemein häufig Verwendung. Sicherlich, es liegt in der Natur der Sache, da die Protagonistin verletzt und auf der Flucht ist. Dennoch wäre weniger mehr gewesen. Es ist nicht notwendig ständig die "Angst" explizit zu nennen. Es ist effektiver das Gefühl anhand der Körperreaktionen zu beschreiben. Und in Ansätzen schafft der Autor das auch. Allerdings verlegt er sich hierbei auffallend häufig auf das "Herzklopfen". Nun, eines muss man der Protagoistin lassen: sie hat ne belastungsfähige Pumpe ;o)
Herr Hill hätte jedoch darüberhinaus etwas mehr auf andere Körperreaktionen eingehen können, um Abwechslung im Text zu schaffen.
Im vierten Satz verlangt der Duden, dass "Geradeaus" klein geschrieben wird. Irgendwann später im Text wird "dass" mit "das" verwechselt: "Sie wussten das sie da war." Aber alles in allem halten sich die Orthographiefehler in Grenzen. Auch die Interpunktion ist weitestgehend stimmig. Manchmal hat sich das ein oder andere überflüssige Leerzeichen eingeschlichen.
Der Text macht den Eindruck, als sei er sorgfältig Korrektur gelesen worden. Ich spreche bewusst von Korrektorat und nicht von Lektorat - denn dafür sind die Formulierungen mitunter zu krude.
Die Gedanken der Protaginistin werden in Kursivschrift gehalten, was die Identifizierung ihrer Überlegungen erleichert. Leider wurde das nicht konsequent bis zum Ende durchgehalten.
(Achtung! SPOILER)
Die Geschichte endet mit zwei Wendungen.
Während mir die erste sehr gut gefallen hat (ich mag es nun einmal ausgesprochen fies), halte ich die zweite für überflüssig und schlichtweg ausgelutscht. Es ist nicht die erste Erzählung, die mir mit dieser Form einer Auflösung unterkommt. Sehr schade.
(SPOILER ENDE)
Der Autor Simon Hill versucht die erdrückende Furcht, die Panik und die Beklemmung aufzugreifen und zu zeichnen, die bei einer Flucht vor unbekannten Verfolgern zu erwarten wäre.
Schafft er es? Finde ich die Umsetzung glaubhaft? Reißt mich seine Geschichte mit?
Nö.
So traurig es ist: die Protagonistin ist mir die ganze Zeit über herzlich egal. Ob sie nun erwischt wird oder nicht, ist mir schlichtweg schnuppe. Eventuell hätte die Wahl der ersten Person Singular oder sogar das Präsens die notwendige Verbindung zur Protagonistin aufbauen können?
Insgesamt halte ich die Idee, die der Erzählung zu Grunde liegt, für gar nicht mal schlecht. Es hätte meiner Meinung nach jedoch etwas mehr Nähe und Unmittelbarkeit bedurft. Auch die oben erwähnten eigenartigen Formulierungen rissen mich immer wieder aus dem Lesefluss. Da könnte nachgearbeitet werden.
Gefällt mir die Geschichte?
Och, na ja. Sie krankt etwas an der Umsetzung und sie ist nicht wirklich spannend. Verreißen will ich sie jedoch auch nicht. Ich würde sagen, sie ist unteres Mittelmaß - und gemessen daran, welche Geschichten sonst so auf dem Kindle-Markt zu finden sind, ist sie ganz okay.
Fazit
Fehlende Ausrufezeichen, seltsame Forumlierungen und nicht vorhandene Nähe verhageln es dem Leser, mit Amy mitzufiebern.
Manchmal bekomme ich Feedback zu meinen Rezensionen, was mich selbstverständlich freut. Besonders, wenn es sich um positive Kommentare handelt (ja, ich bin auch nur ein Mensch und möchte gelobt werden). Normalerweise sehe ich davon ab, die Kommentare von Amazon hier hochzuladen. Aber manchmal gibt es Gründe, eine Ausnahme zu machen.
Diese Kommentare wurden teilweise parallel zu den Kommentaren zum Roman "Das schwarze Loch" von Michael Niggemann gepostet. Bitte achten Sie vor allem auf den letzten Beitrag (Stand 30. Okt. 2012). Herr Grießbach legt es darauf an ^^.
Ich habe seinen Roman bereits zwei Tage vor Äußerung seiner Bitte heruntergezogen. Seine Chancen auf eine Rezension stehen also ganz gut :-)
Heiko
danke für das Lob.
Ja, es ist schade, wenn sich ein Autor nicht mehr um sein E-Book kümmert, wenn es erst einmal online steht. Dabei könnten einige Änderungen aus dem Text von Herrn Hill eine spannende Geschichte machen.
Grüße
Nephthys
Zuletzt vom Autor geändert am 27.10.2012 22:26:56 GMT+02:00
ich bin immer wieder beeindruckt, wie Sie sich akkurat und sorgfältig mit den Texten auseinandersetzen, die hier veröffentlicht werden (und die ja nun oft mehr als fragwürdig sind, weil jeder glaubt, er könne Bücher schreiben.) Mein "Hit" ist immer noch "Plötzlich flogen Vögel erschreckend von den Baumwipfeln."
Dem Tipp "einmal laut lesen" kann ich nur zustimmen, ich rate auch immr wieder dazu, er gilt für Texte aller Genres.
Hoffentlich bessert der Autor nach, genügend Anregungen haben Sie ja gegeben.
vielen Dank für die netten Worte. Ich bin der Meinung, dass Autoren, die sich die Mühe machen eine Geschichte zu schreiben, und den Mut diesen hochzuladen, eine ausführliche und fundierte Rezension verdienen. Einige Jungautoren freuen sich über konstruktive Kritik. Deshalb mache ich mir die Mühe.
Ich habe mich gerade durch Ihre Rezensionsliste geklickt und werde mir auf Ihre Empfehlung hin "Dilettanten müssen sterben!" herunterladen :-)
Herzliche Grüße
Nephthys
habe gerade Ihre Rezi zu das schwarze Loch gelesen und bin wieder begeistert. halb wünschte ich mir von Ihnen auch eine Rezension, halb fürchte ich mich davor ...
Grüße