... meine Rezensionen

Erwählung [Kindle Edition]

von Anita Krause

 

Klappentext / Kurzbeschreibung

Bayern im Jahr 1824.
Ein dunkles Haus. Eine tote Tochter. Die Nacht vor der Bestattung.
Ein Vater, der sich Vorwürfe macht. - Doch ist sie wirklich tot?

 

 

Inhalt und Umsetzung

Warum beginnen eigentlich so viele Autoren ihre Kurzgeschichten mit einer ausschweifenden Wetterbeschreibung? In Frau Krauses "Erwählung" hängen die Wolken schwer über den bayrischen Bergen. Aber spielt das im Folgenden noch eine Rolle? Nicht wirklich (na ja. Ein ganz kleines Bisschen). Also frage ich mich, wieso ich eine Seite lang darüber aufgeklärt werde. Falls es darum ging, dem Leser (also mir) zu vermitteln dass es diesig, regnerisch und usselig ist ... nun. Das habe ich wohl verstanden - aber nicht, was das mit der Geschichte zu tun haben soll.

(Zur Erklärung: ich persönlich reagiere allergisch auf Wetterberichte in Kurztexten.)

 

Und dann geht es damit weiter, dass der bärtige Protagonist als ein sehr sturer, eher unsympathischer Mensch charakterisiert wird. Das geht über eine halbe Seite. Und auch hier frage ich mich: enthält das ganze einen zwingenden Informationsgehalt für die Kurzgeschichte? Auch hier muss ich sagen: eher nein. Zumal es erzählt wird und nicht gezeigt. Gerade Unsympathen lassen sich recht leicht durch ihre Äußerungen und ihr Verhalten während einer Geschichte entlarven. Und genau das macht Frau Krause später im Text auch. Ich hätte mir daher gewünscht, dass diese Eingangsinformationen gestrafft oder ganz weggelassen worden wären.

 

Die Autorin hat es also auf den ersten zwei, drei Seiten geschafft, mich - gelinde gesagt - ihr Werk mit Argwohn betrachten zu lassen.

 

Die Geschichte wird in der dritten Person Singular im Präteritum erzählt.

 

Der Ortsvorsteher Johan Höfler und seine Frau Anna haben ihre Tochter Katharina verloren. Wie es im frühen Neunzehnten Jahrhundert noch üblich war, wird die Verstorbene in ihrem Zimmer aufgebahrt. Kerzen an Kopf- und Fußende sind Bettes wurden entzündet und nach einem Gespräch zwischen Johann und Anna über die Gründe des Todes ihres Kindes, versuchen beide Eheleute zu schlafen ...

 

Handwerklich ist eigentlich nicht viel zu beanstanden. Orhtographie, Interpunktion und Grammatik sowie das Layout (Blocksatz) sind weitestgehend stimmig. Einige Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

Frau Krause bemüht sich, ihre Geschichte sprachlich angemessen zu erzählen, soll heißen: sie verzichtet auf moderne Ausdrücke in ihrem Text. Mir sind dennoch ein paar sprachliche Schnitzer aufgefallen, die in meinen Augen nicht so ganz passen wollen:

"Anna hielt es nicht mehr auf ihrem Sitz."

"Sie weinte so stark in ihre Hände hinein, dass sich ein kleiner Wasserfall bildete, der durch ihre Finger zu Boden tropfte." Ich persönlich neige dazu, Geschreibenes visuell umzusetzen, daher hat mich diese Stelle nicht betroffen gemacht (wie es wohl beabsichtigt war), sondern grinsen lassen.

(Die Erwähnung von Zuckerwatte hingegen ist in Ordnung. Laut Wiki ist diese Schleckerei seit dem Siebzehnten Jahrhundert bekannt - ja, ich habe es mir nicht nehmen lassen, nachzusehen ...)

Manchmal unterlaufen der Autorin Fehler in der Benutzung des Tempus:

"In der vergangenen Nacht tobte über das Land ein Herbststurm, der bis in den späten Morgen hinein sintflutartige Regenfälle mit sich brachte. Nun hatte sich das Wetter ...", "Diesen Anblick wird er sein Leben lang nicht vergessen."

Frau Krause hat die auffällige Vorliebe Ausrufe- und Fragezeichen zu doppeln. Das ist zumindest unüblich, selbst wenn sich diese Auffälligkeit meist auf die wörtliche Rede beschränkt.

Die Autorin hat sich die Freiheit genommen ein Mal mit der Schriftauszeichnung (Fettschrift, bold) und ein Mal mit der Schriftgröße zu spielen. Letzteres fand ich in Ordnung, sogar einen netten Einfall. Erstes, na ja. Da war ich ehrlich gesagt verwirrt. Es hätte nicht sein müssen. Zumal auch hier wieder zwei Ausrufezeichen Verwendung fanden. Dieses Mal sogar durch ein Leerzeichen getrennt. Darüber hinaus wären Fragezeichen an dieser Stelle sinnvoller gewesen.

 

Zwei Sachen, die mich zwar nicht gestört, aber dennoch verwundert haben:

(Achtung! SPOILER)

Anna hat soeben ihre Tochter verloren. Unter höchst tragischen Umständen, die sich mit dem christlichen Glauben nur schwer vereinbaren lassen. Und beide Eheleute scheinen gläubig zu sein. Wie ist es dann möglich, dass Anna ein derartig tiefer, und ruhiger Schlaf vergönnt ist? Gerade als Mutter dürfte es ihr ohne Hilfsmittel schwer fallen.

Johann steht am Bett seiner toten Tochter und erinnert sich an vergangene Zeiten. Dabei wird das Bild eines Kindes heraufbeschworen, das mit dem Hund auf dem Hof herumspringt und spielt. Selbst in einem eher wohlhabenden Haus (Ortsvorsteher, Wasserklosett) würde ich meinen, dass eine Jugendliche von 15 Jahren nicht mehr mit dem Hund getollt hätte. Sie wird sich wohl mit dem Haushalt und anderen altersentsprechenden Aktivitäten auseinandergesetzt haben. Ein anderes sentimental gefärbtes Beispiel hätte eventuell besser funktioniert. Selbst dann, wenn es sich um ein betont kindliches Ereignis handeln sollte.

(SPOILER Ende)

 

Ist die Geschichte spannend? Brachte sie mich zum Gruseln?

Doch. Schon. Frau Krause schafft es, eine düstere Stimmung aufzubauen, die in das frühe Neunzehnte Jahrhundert passt. Die Figuren sind recht lebendig gezeichnet. Die Verzweiflung und die Trauer der Eltern wird (ansatzweise) gut getroffen.

Obwohl mir eigentlich klar war, wie die Auflösung aussehen würde, hatte ich einen angenehmen Schauder, der mir über den Rücken lief. Zur Gänsehaut hatte es aber nicht gereicht.

 

Lassen Sie sich nicht von meiner Rezension abschrecken. Scheinbar habe ich heute meinen pingeligen Tag. Die Geschichte ist weitestgehend stimmig und sympathisch.

 

 

Fazit

Stimmungsvolle Gruselgeschichte mit einigen Schwachstellen