... meine Rezensionen

Aus die Maus - ungewöhnliche Todesanzeigen

von Christian Sprang und Matthias Nöllke

 

Klappentext

Ein Gänseblümchen macht nun für immer bubu

Wer Todesanzeigen genau liest, findet große Gefühle, Rätselhaftes, Skurriles - und sehr viel Komik. Dieses Buch stellt die interessantesten Fundstücke vor. Sie zeichnen ein ungewöhnliches Bild vom Leben und Sterben in diesem Land, das zu tröstender Erkenntnis und befreiendem Lachen führt. Schließlich gilt, wie es in einer Anzeige heißt: "wer nicht stirbt, hat nie gelebt."

 

 

Inhalt und Umsetzung

Ein, zwei Bemerkungen vorweg:

Es ist immer ein Verlust, wenn jemand, dem man sich verbunden fühlt, für immer die Augen schließt. Ich für meinen Teil hatte dieses Buch im Buchladen meines Vertrauens erstanden, kurz nachdem mein Großvater gestorben war. Mit dem Buch bewaffnet zog ich in mein Lieblingscafé und las diese kurzweilige Sammlung während ich genüßlich meine Latte Macchiatos schlürfte. (Und ignorierte die irritierten Blicke der anderen Gäste ...)

Bin ich deswegen pietätlos?

 

Meine Ma hat einen Spruch, den sie mit Vorliebe dann in den Raum wirft, wenn sie bei einem Gesellschaftsspiel gewonnen hat: "Aus die Maus!"

Ob sie das noch immer sagen würde, wenn sie wüsste, dass ich dann seit knapp über einem Jahr an dieses spaßige Buch denken muss? Wohl nicht. Und sie würde die Sammlung vielleicht auch nicht gaaanz so lustig finden wie ich. Aber so ist es im Leben (wie im Tod): die Geschmäcker sind verschieden.

 

Und - so ausgelutscht diese Lebensweisheit ist - der Tod ist die letzte Konsequenz. Schade, dass sie in unserer Gesellschaft fast zur Gänze verschwunden ist. Was bleibt? Eine in einer kalten Kammer aufgebahrte Leiche, die mit dem geliebten Menschen nicht mehr viel zu tun hat. Und die sterile Umgebung trägt nicht gerade dazu bei, dass man sich angemessen verabschieden kann. Schlimm genug. Gestehen wir es uns ein: der Tod wird langsam aber sicher zu unserem größten gesellschaftlichen Tabu.

 

Wieso sich also nicht auf eine humorvolle Art und Weise dem Thema nähern, wenn sich die Chance bietet? Wieso nicht versuchen, der Tragik im Vorfeld zu begegnen, indem man sich gönnt, auch mal über die "letzten Worte" der Hinterbliebenen an die Verstorbenen zu schmunzeln oder schallend zu lachen? Denn das Leben geht (für einige von uns) weiter.

 

Und, obwohl es eigentlich nicht nötig ist, möchte ich betonen: ich habe zu keiner Zeit über die Verstorbenen oder ihre Hinterbliebenen gelacht. Sondern mich ausschließlich über die mal mehr mal weniger beabsichtigten Stilblüten amüsiert - oder gewundert.

 

So. Komme ich (endlich) zum Buch:

Die Autoren haben über die Jahre eine stattliche Sammlung zusammengetragen: alles was ihnen, ihren Bekannten und auch später einer stetig wachsenden Internetgemeinde an Skurrilitäten unter die Finger kam, wurde aufgehoben und archiviert. Und ich persönlich freue mich sehr darüber, dass sie es getan haben.

 

Wie jede Sammlung hat selbstverständlich auch diese ihre Stärken und Schwächen.

 

Fange ich mit Letzterem an: ich konnte Namen, die über mehrere Zeilen gingen ("... gibt Nachricht vom Ableben ihrer Durchlaucht.") nichts abgewinnen. Da ist jemand gestorben, dem seine Eltern zum Start ins Leben keinen großen Gefallen getan hatten. Kommt vor. Ist ein Schmunzeln wert. Aber wirklich lustig ist es nicht. Jedenfalls nicht lustiger als der Name eines jüngst zurückgetretenen Bundesministers für Verteidigung.

Auch der militärischen Sammlung ("Einem Soldatenleben wird 'Halt' geboten") konnte ich nicht viel abgewinnen - das liegt aber ganz sicher daran, dass ich mit der Bundeswehr nicht viel zu tun habe. Jaja, die Vorzüge einer Frau.

Und dann ist es natürlich so, dass nicht alles was die Autoren und ihre Helfer lustig fanden auch meinen Humor getroffen haben. Das wäre - gelinde gesagt - auch eher unheimlich.

 

Die Stärken der Sammlung:

Da gibts beispielsweise die sportive Abteilung ("Fußball war dein ganzes Leben"), in der sich so einige Sportkumpel so richtig ausgetobt haben. Erwähnenswert finde ich Otto, der "wie gewünscht" im Neckarstadion verstarb. Na, wenn das keine Vereinstreue ist?

Meine liebsten Kapitel sind diejenigen, in denen Anzeigen gesammelt wurden, die entweder bewusst auf getragene Dramatik verzichtet haben oder durch Unachtsamkeiten auffällig geworden sind.

So ist Georg "unerwartet sanft" entschlafen. Glück für ihn, oder nicht?

Ganz besonders haben mich jedoch die sehr ehrlichen oder sehr pragmatischen Todesanzeigen beeindruckt. Immer wieder schön zu lesen, auf welche Ideen die Menschen kommen.

Kostprobe gefällig?

Mein absoluter Favorit ist folgender:

 

Meine über alles und innig geliebte Frau

ist ganz plötzlich und unerwartet

von uns gegangen.

 

In tiefer und stiller Trauer

 

Thomas D.

 

(38 Jahre; 182 cm) verw. schl. attr. intell.

romant. sinnl. humorv. reist gern, gut situiert, Nichtr.

jetzt täglich zu erreichen ab 18 Uhr

Handynummer: xxx

 

Man muss ihm schon lassen, dass er das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden weiss ...

 

Technische Anmerkungen:

Die Anzeigen wurden eingescannt. Das fördert zwar die Authentizität, führt aber leider dazu, dass die Qualität leidet. Manchmal musste ich mich anstrengen, um entziffern zu können, was geschrieben stand. Einige Male habe ich Anzeigen schlichtweg übersprungen, weil sie nicht zu lesen waren.

Die einleitenden oder erklärenden Anmerkungen der Autoren waren aus meiner Sicht überflüssig. Man kann sie lesen - muss aber nicht. In der Regel kommt man recht gut selbst dahinter, was denn nun so witzig sein soll. Und wenn nicht, hat es ohnehin nicht den eigenen Sinn für Humor getroffen. Also: was solls?

 

 

Fazit

Komik, die das Leben ... äh ... der Tod schrieb. Wirklich prima. Aber wohl nichts für jeden.