Amok – He Was a Quiet Man

Amok - Ignoriert.Unterschätzt. (alternativer Titel)

von Frank Cappello (Regie), 2007

 

Klappentext / Produktbeschreibung (Quelle: Amazon)

Herrlich gemeine Gesellschaftssatire mit einem grandiosen Christian Slater in der Hauptrolle, sowie 24-Star Elisha Cuthbert und William H. Macy in den Nebenrollen. Der perfekte Film für Fans von FALLING DOWN, ONE HOUR PHOTO und TAXI DRIVER.
Ein echter Geheimtipp für Freunde des bitterbösen Humors!

Schon am frühen Morgen weiß Bob Maconel (Christian Slater), dass er einen miesen Tag haben wird. Einmal mehr acht Stunden in einem grauen Raum sitzen und von den Kollegen ignoriert werden, in einer Welt, in der er sich völlig fehl am Platz fühlt.
Er ist am Ende und zu allem bereit. Das kann niemand von seinen Kollegen ahnen. Auch nicht die hübsche Vanessa (Elisha Cuthbert), welche er heimlich verehrt. Bob sieht nur eine Möglichkeit seine rasende Wut auf jahrelange Demütigung und Nichtbeachtung zu besänftigen.
Der Tag ist gekommen, seiner belanglosen Existenz zu ein wenig Würde zu verhelfen...
...er plant einen Massenmord.

 

 

Inhalt und Umsetzung

Was passiert?

Der Film beginnt mit Bob Maconels (Christian Slater) Stimme (Synchonsprecher: Sven-Jürgen Hasper) aus dem Off:

"[...] Ein Mann durfte sich nicht mehr gegen das Unrecht auflehnen, das ihn umgab. Er musste vor Gericht gehen und Anwälte hinzuziehen und sich durch einen Papierwust wühlen. Die Frau forderte die Gleichberechtigung, bekam sie [...] indem der Mann kastriert und zur Frau gemacht wurde. [...] Dagegen hilft nur jemand der begreift was auf dem Spiel steht. Ein echter Mann, der aufsteht [...] Heute. Jetzt gleich! Noch vor der Mittagspause!"

 

Mal abgesehen von Bobs eigenartigen Ansichten hat er noch ein weit größeres Problem: die Vögel am Fenster und die Schleierschwänze im Aquarium (gewollt deutlich sichtbar mittels CGI animiert) sprechen mit ihm. Ein Schelm, welcher Schizophrenie dabei denkt.

 

Ah, und Bobs Äußeres trägt auch nicht unbedingt dazu bei, dass es ihm in der (oberflächlichen) Gesellschaft gut gehen könnte. Ein extremst hoher Haaransatz (mit dem C. Slater seit einiger Zeit geplagt wird) wird mit etwas zu langen, strähnigen Haaren betont, ein eigenartig dünner Schnäuzer schmückt die Oberlippe, die grünen Augen hinter den riesigen Brillengläsern gehen ruhelos in den Höhlen umher, das Gesicht ist ölig von Schweiß und wirkt insgesamt "weich". Über seinen Kleidungsstil könnte der gute Mann übrigens auch mal nachdenken ...

Also alles in allem hat sich die Maske große Mühe gegeben, den Protagonisten so aussehen zu lassen, wie man sich einen Verlierer der Gesellschaft allgemein vorstellt. Oder anders gesagt: wie er sehr oft in Filmen gezeigt wird. Normalerweise würde ich sofort auf die Barrikaden gehen und "Klischee!!!" schreien - hier jedoch verkneife ich mir das. Geht es bei "Amok" schließlich um eine Gesellschaftssatire.

 

Auf der Arbeit läuft es übrigens auch nicht sonderlich prickelnd: Im Großraumbüro sitzend und die Kammer einer Handfeuerwaffe ladend überlegt Bob, welche(r) der KollegINNEN die einzelnen Kugeln zugedacht sind. Nur ... den Mut, abzudrücken hat der Protagonist in diesen ersten Minuten des Films (noch?) nicht.

Die Offstimme rechtfertigt das Zögern, das letztendliche Kneifen mit: "Ohne richtiges Timing bist du aufgeschmissen. Meine Zeit wird kommen."

 

Und kaum mit dem Mittelklassewagen vorm Mittelklasseheim vorgefahren, wird Bob schon von seiner Nachbarin um einen Gefallen gebeten. Naja. Wirklich gebeten würde ich es nicht nennen. Und ... es geht ihr auch nicht wirklich um einen Gefallen, sondern vielmehr darum, dass Bob seinen Mittelklassegarten "ein wenig auf Vordermann" bringt, weil ein Teil ihrer Familie zu Besuch kommen wird.

 

Nun, den Garten wird Bob wohl nicht richten, denn kaum ist er in seinem Haus, wird dem Zuschauer deutlich gemacht, dass er es ernst meint. Im Kühlschrank (wo auch sonst? ^^) klebt eine Klarsichtfolie, in der Bobs Statement aufbewahrt ist ("You may ask why I did what I did" / dt. Untertitel: "Sie fragen sich vielleicht, warum ich das getan habe ..."). Hübsch mit Kugelschreiber in Großbuchstaben auf gelben Karteikarten - in mehrfacher Ausführung. Na, ob der gute Mann da wohl Pläne fürs Wochenende hat?

 

Nun, der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Einrichtung zu Bobs Kleidungsstil passt: trist, grau, trostlos, deprimierend ... irgendwie resigniert.

 

Wieder auf der Arbeit "darf" sich Bob mit endlosen Zahlenkolonnen  und Schaltplänen auseinander setzen. Er blüht regelrecht auf, als die Kollegin Venessa Parks (Elisha Cuthbert, Synchronstimme: Sonja Spuhl) im wahrsten Sinne des Wortes frischen Wind ins Großraumbüro bringt. Bob lugt hinter seinem Sichtschutz hervor und es ist fast schon niedlich zu beobachten, wie er erleichtert tief einatmet. Vanessa nimmt übrigens (wie zu erwarten war) keine Notiz von ihm - dafür aber von seinem Plastik-Hula-Mädchen, das seinen Monitor schmückt.

Sein Mittagessen verbringt Bob allein mit einer Knifte (Stulle, Butterbrot) und der Vorstellung, wie er seinen Arbeitsplatz in die Luft jagt.

 

Nach einer (erneuten) Mobbing-Attacke durch seinen Vorgesetzten Scott Harper (Jamison Jones) läd Bob wieder seinen Revolver und ...

... plötzlich kommt alles ganz anders als erwartet:

Nicht er ist es, der seinen Frust herausschießt, sondern Ralf Coleman (David Wells).

Und Bob?
Er wird zum Helden, denn er streckt den Amokschützen nieder.

(Aber nicht, ohne zuvor mit Coleman ein wirklich schräges Gespräch zu führen, das in der Frage gipfelt, wer von beiden der größere Versager ist. Großartig!)

 

Tjoah, und dann kommt, was kommen muss: Bob wird zum Helden stilisiert und die Medienvertreter rennen ihm die Bude ein. "Willkommen in unserer Welt, Bob", meint lakonisch der Schleierschwanz im Aquarium dazu.

 

Am nächsten Tag ist der Medienrummel übrigens wieder vorbei, da über Nacht ein herabgestürztes Flugzeugrad für zwölf Tote gesorgt hat. Der Fisch sagt dazu recht treffend: "Das wars wohl mit unseren 15 Minuten Ruhm."

 

Dafür ändert sich aber die Einstellung der näheren Umwelt zum Protagonisten:

Die Nachbarin läd Bob nach fünf Jahren (!) zu einem Barbeque ein, um den "neuen Nachbarn endlich näher kennenzulernen", die Arbeitskollegen feiern ihn, er wird befördert ... vom Firmenchef Gene Shelby (William H. Macy, Synchronstimme: Lutz Mackensy) persönlich.

 

Bob bekleidet ab sofort den Posten des Vizepräsidenten der "Abteilung für kreatives Denken" (na, wenn das mal nicht der passende Posten für unseren Protagonisten ist ^^) und erbt Vanessas Einzelbüro. Sie war unter den Opfern, hat aber überlebt. Als Bob erwähnt, sie noch nicht besucht zu haben, besteht Shelby darauf, dass er das dringend (und zudem während der Arbeitszeit) nachzuholen habe.

Nen Firmenwagen gibts für Bob ab sofort übrigens auch.

 

Bald muss er feststellen, dass nicht alle mit seiner heroischen Tat besonders glücklich sind. Vanessa ist seit dem Amoklauf vom Hals abwärts gelähmt und wünscht sich, Coleman hätte zu Ende führen können, was er begonnen hatte ... also muss jetzt wohl oder übel Bob die Sache in die Hand nehmen.

 

Das Ende ist verstörend und passt zum Gesamtkonzept.

 

Technisches und Darsteller:

Die visuelle Sprache des Films ist eindringlich:

Extreme Bildausschnitte zwingen den Zuschauer in die Unmittelbarkeit. Manchmal sind es kaum mehr als Bobs Brille und die dahinterliegenden Augen, die gezeigt werden. Eigenartige Zeitrafferaufnahmen (ganz klar: CGI) während der ersten Heimfahrt deuten an, dass nicht nur Bobs Wagen ständig und stets überholt wird, sondern symbolisch auch er. Mutig (oder trotzig?) fährt er übrigens im Schneckentempo auf der linken Spur.

Es gibt extreme Kamerafahrten (auch mal raus aus dem Firmensitz und schwankend wieder zurück), Aufnahmen mit der Handkamera und Aufnahmen, die das Gesicht des Protagonisten statisch zeigen, während sich alles andere bewegt.

 

Die Schauspieler sind überzeugend. Christian Slater hat in seiner Karriere einige Filme gedreht, die mich begeistern konnten ("Der Name der Rose", "Robin Hood - König der Diebe", "Interview mit einem Vampir" und "Hard Rain") aber auch welche, die in meinen Augen so überhaupt nicht gingen (ganz vorne mit dabei: "Alone in the Dark").

William H. Macy ist mir vor allem aus "Pleasantville - Zu schön, um wahr zu sein" und "Ein Filmreifer Mord" bekannt - ebenfalls Filme, die man mit einem Augenzwinkern anschauen sollte.

Elisha Cuthbert hingegen ist mir noch nie besonders aufgefallen. Sie hat unter anderem in "Tatsächlich ... Liebe" und "House of Wax" mitgewirkt. Ersteren kenne ich nicht, letzteren habe ich zugegebenermaßen nur zufällig im Nachtprogramm und mit halben Auge geguckt, weil ich mit etwas anderem beschäftigt war. (Ich kann also nicht einmal beurteilen, ob sie eine annehmbare Leiche war ...) In "Amok" spielt sie meiner Meinung nach mitunter etwas blass, auch wenn ich ihr ihre Rolle durchaus abkaufe.

 

Die Regie, das Drehbuch und die Produktion dieses Films wurden von Frank Cappello übernommen, der hierzulande so unbekannt ist, dass er auf der deutschen Wikipedia keine eigene Seite besitzt (Stand: 16. Nov. 2012). Schade eigentlich, denn aus der englischen Wiki geht hervor, dass F. Capello einer von zwei Autoren war, die sich für die Comicverfilmung Constantine (z.B. in "Hellblazer") verantwortlich zeigten.

 

Die Synchronisation ist gelungen. Mit Sven Hasper, Sonja Spuhl und Lutz Mackensy wurden Profis verpflichtet, die schon Jahrelang tätig sind.

Was mich persönlich jedoch stört, ist der Umstand, dass für William H. Macy ständig andere Synchronsprecher gewählt werden. Von Christian Tramitz ("Der Schuh des Manitu", Offsprecher in "How I met your Mother") über Bodo Wolf (z.B. dt. Stimme Jigsaw in der "Saw"-Reihe) bis Thomas Danneberg (Stammsprecher Dennis Quaid, Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger) durfte so ziemlich "jeder mal ran". Aber das ist als allgemeines Problem zu sehen und betrifft nicht diesen Film im Besonderen.

Die Wahl der Synchronsprecher von Christian Slater ist hingegen ausgewogener: Sven Hasper wird seit etwa 2001 (mit nur wenigen Ausnahmen) als Stammsprecher für den Schauspieler eingesetzt.

Sonja Spuhl, die besonders häufig für Christina Ricci gecastet wird, spricht offenbar nur sporadisch die deutsche Stimme für Elisha Cuthbert. Das fällt meiner Meinung nach also wieder unter: vermeidbare Inkonsequenz.

 

Die Filmmusik von Jeff Beal ist Bobs Charakter angepasst. Sie reicht von kitschig-romantisch bis verstörend-nervig. Besonders im letzteren Zustand nimmt sie manchmal an Lautstärke unangenehm zu.

 

 

Mag ich den Film?

Japp. Sehr sogar.

Der Film lebt eindeutig von seinen skurrilen Charakteren und sehr guten Akteuren. Ich finde Christian Slater in der Rolle des Verlierers, der seine "großen Momente" hat, erschreckend überzeugend. Während ich "Amok" genossen habe, konnte ich mir kaum vorstellen, dass der selbe Mann auch in Actionfilmen zu sehen ist.

 

Abgesehen davon ist es die Situationskomik, die zum Tragen kommt. Es wechseln sich heftiger Zynismus mit feinsinnigen Widersprüchen ab. Meiner Meinung nach lohnt es sich diesen Film aufmerksam zu betrachten und (so ziemlich) jede Bemerkung zu hinterfragen. (Beispielweise wenn ein Gast nach Vanessas und Bobs Karaokeauftritt anmerkt, sie wolle niemals in einen Rollstuhl. Himmel! Wer will das denn schon?)

Besonders nett fand ich die Erklärung zu Vanessas Zustand durch einen 'Neurologen, der einen Fachterminus nach dem anderen abspult ohne darauf zu achten, ob Bob ihn überhaupt verstehen kann. Vielleicht fand ich diese Szene aber deshalb besonders erwähnenswert, weil ich dem Arzt inhaltlich folgen konnte ... wer weiß?

Darüber hinaus gibt es nicht nur die satirischen Ansätze im Film, sondern auch rührende und ruhige Szenen, so dass man immer wieder in die "Normaliät" zurückgeholt und nicht ständig in der Surrealität festgehalten wird.

 

 

Fazit

Surreal, verstörend, manchmal beißend zynisch.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Masticating Juicer (Samstag, 13 April 2013 04:06)

    This is an excellent write-up! Thank you for sharing with us!

 

 

Es folgt (wie meistens) die gekürzte Variante, welche ich Amazon zur Verfügung gestellt habe:

 

 

 

--- Klappentext / Produktbeschreibung ---

Herrlich gemeine Gesellschaftssatire mit einem grandiosen Christian Slater in der Hauptrolle, sowie 24-Star Elisha Cuthbert und William H. Macy in den Nebenrollen.
[...]
Ein echter Geheimtipp für Freunde des bitterbösen Humors!
[...]

--- Inhalt und Umsetzung ---

-- Was passiert? --

Der Film beginnt mit Bob Maconels (Christian Slater) Stimme (Synchonsprecher: Sven-Jürgen Hasper) aus dem Off:
"[...] Ein Mann durfte sich nicht mehr gegen das Unrecht auflehnen, das ihn umgab. Er musste vor Gericht gehen und Anwälte hinzuziehen und sich durch einen Papierwust wühlen. Die Frau forderte die Gleichberechtigung, bekam sie [...] indem der Mann kastriert und zur Frau gemacht wurde. [...] Dagegen hilft nur jemand der begreift was auf dem Spiel steht. Ein echter Mann, der aufsteht [...] Heute. Jetzt gleich! Noch vor der Mittagspause!"

Mal abgesehen von Bobs eigenartigen Ansichten hat er noch ein weit größeres Problem: die Vögel am Fenster und die Fische im Aquarium (gewollt deutlich sichtbar mittels CGI animiert) sprechen mit ihm. Ein Schelm, welcher Schizophrenie dabei denkt.

Ah, und Bobs Äußeres trägt auch nicht unbedingt dazu bei, dass es ihm in der (oberflächlichen) Gesellschaft gut gehen könnte. Ein extremst hoher Haaransatz wird mit etwas zu langen, strähnigen Haaren betont, ein eigenartig dünner Schnäuzer schmückt die Oberlippe, die grünen Augen hinter den riesigen Brillengläsern gehen ruhelos in den Höhlen umher, das Gesicht ist ölig von Schweiß und wirkt insgesamt "weich". Über seinen Kleidungsstil könnte der gute Mann übrigens auch mal nachdenken ...
Also alles in allem hat sich die Maske große Mühe gegeben, den Protagonisten so aussehen zu lassen, wie man sich einen Verlierer der Gesellschaft allgemein vorstellt. Oder anders gesagt: wie er sehr oft in Filmen gezeigt wird. Normalerweise würde ich sofort auf die Barrikaden gehen und "Klischee!!!" schreien - hier jedoch verkneife ich mir das. Geht es bei "Amok" schließlich um eine Gesellschaftssatire.

Auf der Arbeit läuft es übrigens auch nicht sonderlich prickelnd: Im Großraumbüro sitzend und die Kammer einer Handfeuerwaffe ladend überlegt Bob, welche(r) der KollegINNEN die einzelnen Kugeln zugedacht sind. Nur ... den Mut, abzudrücken hat der Protagonist in diesen ersten Minuten des Films (noch?) nicht.
Die Offstimme rechtfertigt das Zögern, das letztendliche Kneifen mit: "Ohne richtiges Timing bist du aufgeschmissen. Meine Zeit wird kommen."

Kaum ist Bob zu Haus, wird dem Zuschauer deutlich gemacht, dass er es ernst meint. Im Kühlschrank (wo auch sonst? ^^) klebt eine Klarsichtfolie, in der Bobs Statement aufbewahrt ist ("You may ask why I did what I did" / dt. Untertitel: "Sie fragen sich vielleicht, warum ich das getan habe ..."). Hübsch mit Kugelschreiber in Großbuchstaben auf gelben Karteikarten - in mehrfacher Ausführung. Na, ob der gute Mann da wohl Pläne fürs Wochenende hat?

Nun, der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Einrichtung zu Bobs Kleidungsstil passt: trist, grau, trostlos, deprimierend ... irgendwie resigniert.

Wieder auf der Arbeit "darf" sich Bob mit endlosen Zahlenkolonnen und Schaltplänen auseinander setzen. Er blüht regelrecht auf, als die Kollegin Venessa Parks (Elisha Cuthbert, Synchronstimme: Sonja Spuhl) im wahrsten Sinne des Wortes frischen Wind ins Großraumbüro bringt. Bob lugt hinter seinem Sichtschutz hervor und es ist fast schon niedlich zu beobachten, wie er erleichtert tief einatmet. Vanessa nimmt übrigens (wie zu erwarten war) keine Notiz von ihm - dafür aber von seinem Plastik-Hula-Mädchen, das seinen Monitor schmückt.

Nach einer (erneuten) Mobbing-Attacke durch seinen Vorgesetzten Scott Harper (Jamison Jones) läd Bob wieder seinen Revolver und ...
... plötzlich kommt alles ganz anders als erwartet:
Nicht er ist es, der seinen Frust herausschießt, sondern Ralf Coleman (David Wells).

Und Bob?
Er wird zum Helden, denn er streckt den Amokschützen nieder.
(Aber nicht, ohne zuvor mit Coleman ein wirklich schräges Gespräch zu führen, das in der Frage gipfelt, wer von beiden der größere Versager ist. Großartig!)

Tjoah, und dann kommt, was kommen muss: Bob wird zum Helden stilisiert und die Medienvertreter rennen ihm die Bude ein. "Willkommen in unserer Welt, Bob", meint lakonisch der Fisch im Aquarium dazu.
Am nächsten Tag ist der Medienrummel übrigens wieder vorbei, da über Nacht ein herabgestürztes Flugzeugrad für zwölf Tote gesorgt hat. Der Fisch sagt dazu recht treffend: "Das wars wohl mit unseren 15 Minuten Ruhm."

Dafür ändert sich aber (vorübergehend) die Einstellung der näheren Umwelt zum Protagonisten:
Die Nachbarin läd Bob nach fünf Jahren (!) zu einem Barbeque ein, um den "neuen Nachbarn endlich näher kennenzulernen", die Arbeitskollegen feiern ihn, er wird befördert ... vom Firmenchef Gene Shelby (William H. Macy, Synchronstimme: Lutz Mackensy) persönlich.

Bob bekleidet ab sofort den Posten des Vizepräsidenten der "Abteilung für kreatives Denken" (na, wenn das mal nicht der passende Posten für unseren Protagonisten ist ^^) und erbt Vanessas Einzelbüro. Sie war unter den Opfern, hat aber überlebt. Als Bob erwähnt, sie noch nicht besucht zu haben, besteht Shelby darauf, dass er das dringend (und zudem während der Arbeitszeit) nachzuholen habe.
Nen Firmenwagen gibts für Bob ab sofort übrigens auch.

Bald muss er feststellen, dass nicht alle mit seiner heroischen Tat besonders glücklich sind. Vanessa ist seit dem Amoklauf vom Hals abwärts gelähmt und wünscht sich, Coleman hätte zu Ende führen können, was er begonnen hatte ... also muss jetzt wohl oder übel Bob die Sache in die Hand nehmen ...

Das Ende des Films ist verstörend und passt zum Gesamtkonzept.

-- Technisches und Darsteller --

Die visuelle Sprache des Films ist eindringlich:
Extreme Bildausschnitte zwingen den Zuschauer in die Unmittelbarkeit. Manchmal sind es kaum mehr als Bobs Brille und die dahinterliegenden Augen, die gezeigt werden. Eigenartige Zeitrafferaufnahmen (ganz klar: CGI) während der ersten Heimfahrt deuten an, dass nicht nur Bobs Wagen ständig und stets überholt wird, sondern symbolisch auch er. Mutig (oder trotzig?) fährt er übrigens im Schneckentempo auf der linken Spur.
Es gibt extreme Kamerafahrten (auch mal raus aus dem Firmensitz und schwankend wieder zurück), Aufnahmen mit der Handkamera und Aufnahmen, die das Gesicht des Protagonisten statisch zeigen, während sich alles andere bewegt.

Die Schauspieler sind überzeugend. Christian Slater hat in seiner Karriere einige Filme gedreht, die mich begeistern konnten (z.B. "Der Name der Rose") aber auch welche, die in meinen Augen so überhaupt nicht gingen (ganz vorne mit dabei: "Alone in the Dark").
William H. Macy ist mir vor allem aus "Ein Filmreifer Mord" bekannt - ebenfalls ein Film, den man mit einem Augenzwinkern anschauen sollte.
Elisha Cuthbert hingegen ist mir noch nie besonders aufgefallen. Sie hat unter anderem in "Tatsächlich ... Liebe" und "House of Wax" mitgewirkt. Ersteren kenne ich nicht, letzteren habe ich zugegebenermaßen nur zufällig im Nachtprogramm und mit halben Auge geguckt. In "Amok" spielt sie meiner Meinung nach mitunter etwas blass, auch wenn ich ihr ihre Rolle durchaus abkaufe.

Die Regie, das Drehbuch und die Produktion dieses Films wurden von Frank Cappello übernommen, der hierzulande so unbekannt ist, dass er auf der deutschen Wikipedia keine eigene Seite besitzt (Stand: 16. Nov. 2012). Schade eigentlich, denn aus der englischen Wiki geht hervor, dass F. Capello einer von zwei Autoren war, die sich für die Comicverfilmung Constantine (z.B. in "Hellblazer") verantwortlich zeigten.

Die Synchronisation ist gelungen. Mit Sven Hasper, Sonja Spuhl und Lutz Mackensy wurden Profis verpflichtet, die schon Jahrelang tätig sind.

Die Filmmusik von Jeff Beal ist Bobs Charakter angepasst. Sie reicht von kitschig-romantisch bis verstörend-nervig. Besonders im letzteren Zustand nimmt sie manchmal an Lautstärke unangenehm zu.

-- Mag ich den Film? --

Japp. Sehr sogar.
Der Film lebt eindeutig von seinen skurrilen Charakteren und den sehr guten Akteuren. Ich finde Christian Slater in der Rolle des Verlierers, der seine "großen Momente" hat, erschreckend überzeugend.

Abgesehen davon ist es die Situationskomik, die zum Tragen kommt. Es wechseln sich heftiger Zynismus mit feinsinnigen Widersprüchen ab. Meiner Meinung nach lohnt es sich diesen Film aufmerksam zu betrachten und (so ziemlich) jede Bemerkung zu hinterfragen. (Beispielweise wenn eine Frau nach Vanessas und Bobs Karaokeauftritt anmerkt, sie wolle niemals in einen Rollstuhl. Himmel! Wer will das denn schon?)

Darüber hinaus gibt es nicht nur die satirischen Ansätze im Film, sondern auch rührende und ruhige Szenen, so dass man immer wieder in die "Normaliät" zurückgeholt und nicht ständig in Bobs Surrealität festgehalten wird.

--- Fazit ---

Surreal, verstörend, manchmal beißend zynisch.