Korrektur (unkorrigierte Fassung!)

das Für und Wider

aus der Sicht des Jungautoren und des Lektors

 

Als ich mit dem Bus gefahren bin, ist mir etwas Wichtiges eingefallen, das ich gerne auf meiner Internetseite (jaaa, meine Internetseite. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen ...) besprechen möchte: wie gebe ich einem Text den nötigen Feinschliff? Wie wertvoll ist ein gutes Lektorat?

Schon während ich die Treppen in meine Wohnung hoch lief und auch während ich meine Einkäufe verstaute (Prioritäten eben), sind mir Formulierungen durch den Kopf geschossen.

Der Text entsteht als Rohfassung direkt in auf dieser Internetseite. Manchmal habe ich so viel zu sagen und zu erzählen, dass meine Finger nicht mitkommen. Daher werden viele Tippfehler auftreten. Manchmal wird es wohl nur mit selbst klar sein, was ich eigentlich sagen will. Ich nehme mir nur wenig bis gar keine Zeit fürs Recherchieren.

Das ist erstmal sowieso unwichtig. Wichtig ist einzig und allein der Inhalt.

 

 

Ja, da ist es nun.

Duzende Seiten geballtes Herzblut.

Entstanden in duzenden Stunden voller Hingabe.

Es ist gut.

Ach was! Es ist genial!

So was hat die Welt noch nicht gesehen. Und es ist aus den eigenen Hirnwindungen entsprungen. Kaum zu glauben, dieses Wunder!

Fast ehrfürchtig betrachtet man seine Arbeit. Lässt die reellen Augen über die Buchstaben tanzen, die vor den inneren zu Bildern werden. Gefühle und Szenen wieder heraufbeschöweren, die man bereits gesehen hatte, als man seine Finger über die Tastatur (oder den Stift über das Papier) hat gleiten lassen. Es ist toll! Es ist ein Gefühl, als hätte man Gott gespielt.

Ach was!

War man nicht sogar Gott, als man seinen heißgeliebten Charakteren Leben eingehaucht hat? War das nicht ein schöpferischer Akt?

Ist das Herzklopfen, sind die schweißnassen Finger nicht der beste Beweis dafür, dass das eigene Werk einfach großartig ist?

 

Nun ... wenn das so wäre, dann bräuchte man nur in den nächsten Buchhandel gehen (oder online auf Amazon stöbern) und man hätte bei jedem Griff ins (virtuell) Regal sofort eine schriftstellerische Offenbarung in Händen.

Aber - wie wir alle wissen - ist das nicht so.

Wie oft haben wir uns schon darüber geärgert, dass wir ein Buch voller Vorfreude auf das, was da auf uns zu kommen mag, aufgeklappt hatten und nach wenigen Seiten feststellen mussten, dass es sich um kompletten Murks handelt? Das ist jedem schon mal passiert. Vergleichen Sie bitte meine Rezensionen, wenn Sie eine der glücklichen Ausnahmen sein sollten und mir nicht glauben.

 

Ich rede hier nicht davon, dass das Buch nicht dem eigenen Geschmack entspricht. Denn das wäre vermessen. Bücher, Geschichten, Erzählungen die mir gefallen, dürften in den wenigsten Fällen auch Ihnen zusagen. So ist es - und es ist gut, dass es so ist. Denn wenn nicht, hätten wir nur ein einziges Regal in besagter Buchhandlung stehen.

 

Ich rede davon, dass es einige Grundregeln gibt, die einzuhalten sind.

Und die beginnen schlicht und ergreifend schon damit, dass der Autor seine Muttersprache beherrscht (Anmerkung: in einer Fremdsprache zu schreiben, können Sie sich gleich mal aus dem Kopf schlagen. Das haut nicht hin. Es ist so gut wie unmöglich, die feinen Nuancen in einer Zweitsprache zu treffen wie in der eigenen.)

Fangen wir mit dem Grundsätzlichen an. Die Orthographie. Die simple Rechtschreibung also. Ich selbst sollte mich dabei nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Ich habe als Jugendliche unter Legasthenie gelitten. Meinte jedenfalls mein damaliger Lehrer. Und ich muss ihm ihm Nachhinein recht geben. Wenn ich mir meine damaligen Texte (unabhängig davon, ob es sich um Aufsätze, Diktate oder Geschichten handelte) durchlese, dann ... ja, dann muss ich sagen, schäme ich mich. Es ist erstaunlich, wie viele Fehler auf eine einzelne Seite passen. Wahnsinn!

Schön (oder auch nicht).

Die Orthographie kann man lernen. Wie man an mir sieht. Es erfordert viel Zeit, eine tüchtige Protion Geduld und den Willen dazu auch mal einen Duden aufzuschlagen. Oder, in der heutigen Zeit, zumindest mal Wiki und Konsorten zu befragen. Auch wenn ich Wikipedia inhaltlich nicht immer traue (besonders bei Themen, die nur Fachidioten wirklcih kennen können), so ist bisher zumindest die Orthographie immer stimmig gewesen. Dafür sorgend die vielen anonymen Helferlein die sich auf jeden Fehler stürzen wie die Raben.

Und wenn man an sich selbst nicht den Anspruch hat, seine Rechtschreibschwäche in den Griff zu kriegen, dann wäre die Nutzung eines Rechtschreibprogramms eine Alternative. Sowohl MS-Word als auch OpenOffice haben eines implementiert. Dieses Programm reicht locker aus, grobe Fehler, Tippfehler und andere Unachtsamkeiten aus dem Weg zu räumen. Was diese Programme nur bedingt leisten können sind Unterscheidungen zwischen "das" und "dass". Da kann man sich von der Grammatik-Überprüfung eventuell helfen lassen. Aber das wird nicht immer helfen. Da muss man noch mal selbst ran.

Mein Lieblingsbeispiel ist das Wort "sonst". Sie wissen schon: "Mach Platz da, sonst kriegst du ..." Ich hatte die unglückliche Angewohnheit, dieses Wort mit zwei "N" zu schreiben. Heraus kam "sonnst", von "sich sonnen". Ganz prima. Vor allem weil das Rechtschreibprogramm den Unterschied nicht erkannt hat. Wie denn auch? Es kann nur Worte anhand seiner Datenbank vergleichen. Wenn da was auftaucht, dass das Programm nicht kennt schlägt es Alarm. Und macht Vorschäge, sofern es welche gespeichert hat. Aber erkennen, dass da ein Wort, obwohl es richtig geschrieben ist im Zusammenhang kompletter Mumpitz ist? Nein. Wie denn auch?

Da muss man selber ran.

Es hat übrigens einige Jahre gedauert, bis ich rausgefunden habe, dass "sonnst" verkehrt war. Ich hatte keine Grundlage an meiner Schreibweise zu zweifeln, denn die roten Schlangenlinien haben schlichtweg gefehlt.

 

Wenns nicht die Orthographie ist, dann hakts meistens mit der Grammatik.

Kennen Sie den Begriff "Stilblüte"? Ein herrlich euphemistischer Begriff dafür, dass die Grammatik so verkehrt ist, dass es befremdlich, wenn nicht sogar lustig wirkt. Ein Beispiel, weil es mir erst neulich über den Weg gelaufen ist:

"Die Sonne war am Untergehen."

Autsch!

Ich muss kein Germanist sein, um zu erkennen, dass da was falsch gelaufen ist. Ich muss kein "schlaues Wort" dafür kennen, wie diese Satzkonstruktion zu nennen ist. Es reicht, dass es schlichtweg "falsch" ist. Und weil es falsch ist, kommt man während des Lesens ins Stocken. Und daraus resultiert dann, dass all die hübschen Bilder vorm inneren Auge verpuffen wie eine Seifenblase. Ärgerlich.

Richtig hätte es übrigens geheißen: "Die Sonne ging unter." Fertig. Aus. Langweilig aber richtig.

 

Und wenns weder Orthographie noch Grammatik sind, dann ... ja dann ist es die Interpunktion. Mein persönlicher Todfeind. Ich hatte sie nicht verstanden, als noch die alte Rechtschreibung galt (jaja, so alt bin ich schon) und nach der Umstellung hats mich komplett abgehängt. Ich setze Kommata nach Gutdünken. Traurig aber wahr. Jedes Mal, wenn ich glaube, da muss beim Lesen eine Pause im Text gemacht werden, setze ich ein Komma. Fertig. Aus. Die Fehlerrate bei diesem Vorgehen? Enorm!

 

Leerzeichen.

Dazu gibts nicht viel zu sagen. Ein Leerzeichen zwischen zwei Worten reicht vollkommen aus. Sinds zu viele, sieht das Schriftbild unsauber aus. Und sensible Gemüter (so wie ich) kriegen irgendwann einen Tobsuchtsanfall, wenn dieser Fehler zu oft auftaucht. Wie man ihn ausmerzt? Die "Suchen und Ersetzen"-Funktion schafft Abhilfe. Einfach zwei Leerzeichen in das "Suchen"-Feld eintippen und ein einziges in das "Ersetzen"-Feld. Enter drücken und fertig.

 

Zeiten.

Noch so ein Thema für sich. Man muss sich zu Beginn seiner Geschichte dafür entscheiden, in welchem Tempus ("schlaues Wort" für Zeiten) man seine Ergüssen erzählen will. Das gibt es eigentlich nur zwei Möglchkeiten: entweder man nutzt das übliche Präteritum ("schlaues Wort" für Vergangenheitsform) oder das Präsens ("schlaues Wort" für Gegenwart). Alles andere können Sie erstmal vergessen. Plusquamperfekt klingt als Wort schon ... äh ... grenzwertig. Eine Geschichte in diesem Tempus ist schlichtweg eine Zumutung. Ganz einfach deshalb, weil wir es in der täglichen Sprache nicht verwenden und weil es umständlich klingt. Sicherlich wird kein (langer) Text ohne diese Zeit auskommen. Aber es wäre schön, es auf ein Minimum zu beschränken.

Wenn man sich für einen Tempus entschieden hat, dann sollte man auch bitte dabei bleiben. Ich habe einmal eine Rezension zu einer Kurzgeschichte einer Jungautorin verfasst. Sie hatte ihren Text über Amazon vertrieben und sogar Geld gefordert. Ihr gutes Recht. Aber genauso gut war mein Recht, in der Rezension darauf hinzuweisen, dass es nicht geht, mitten im Satz den Tempus zu wechseln. Das ist ... schlichtweg falsch. Das geht nicht. Ab und zu kann es sicher vorkommen, dass man sich vertippt oder dass man unachtsam ist. Aber dann gehört der Text noch einmal gelesen und die Fehler ausgeräumt. Nun ja. Sinnlos sich darüber groß auszulassen. Ein Tempus auswählen, dabei bleiben und fertig.

Handelt es sich um Rückblenden (die man laut "Lehrmeinung" möglichst kurz halten sollte), so gehören die Zeiten natürlich angepasst. Dafür hat die Sprache sie schließlich. Damit man erklären kann, dass sich etwas zu einer anderen Zeit abgespielt hat. Oder abspielen wird, wenn die Handlung in der Zukunft liegt.

 

 

Damit möchte ich das Grundhandwerk ersteinmal abhaken. Es gäbe noch viel zu sagen und zu schwadronieren. Sehr viel. Aber ich habe keine Lust mehr.

 

 

Kommen wir zum Inhaltlichen.

Wie oben bereits erwähnt geht es nicht um Geschmäcker. Mir kräuseln sich die Fußnägel wenn es um einen Teenager geht, der einen Vampir kennen lernt und schmachtend durch die Flure ihrer Schule in den Biologieunterricht stolpert.

Andere hingegen finden so etwas faszinierend, wie die Verkaufszahlen verraten. Es sei ihnen gegönnt.

 

Was meine ich also mit Inhalt?

Zum einen gehört ein Spannungsbogen her. Wie man den am besten konstruiert, können Sie in einschlägigen Lehrbüchern nachlesen. Ich mache es nach Gefühl. Manchmal liege ich richtig. Manchmal liege ich falsch. Sei es drum. Das kann meiner Meinung nach jeder handhaben wie er möchte. Denn auch da sind die Geschmäcker verschieden. Was ich als seichte Unterhaltung empfinde, mag andere an den Rand eines Herzinfaktes führen. Reine Gewöhnungssache.

 

Was allerdings die schönste Spannung sofort zum Einsturz bringen kann, sind logische Löcher. Ein Beispiel:

"Tabetha ließ vor Schreck ihr Handtuch fallen, als sie ein Geräusch hörte. Sie horchte in die Dunkelheit hinein. Aber da war nichts. Nach einigen Atemzügen entschied sie, dass sich sich getäuscht haben musste und setzte ihren Weg ins Badezimmer fort. Während sie das Wasser anstellte, legte sie ihr Handtuch auf den Toilettendeckel und zog sich den Pullover aus."

Eines ist deutlich: Tabetha hat ihr Handtuch fallen lassen, als sie erschrak. Also kann sie es wohl kaum auf den Toilettensitz gelegt haben. Also täte der Autor gut daran, sie entweder das Handtuch zu Beginn weiter in der Hand halten - oder es wieder aufheben zu lassen. Das nächste, wenn auch weniger deutliche Manko wäre die Dunkelheit. Aber darüber kann man streiten. Vielleicht geht Tabetha grundsätzlich durch die dunkle Wohnung? Wer weiß das schon? Unbestritten ist jedoch, dass der ein oder andere Leser sich zumindest darüber wundern könnte. Das sollte man einkalkulieren.

 

Umgangssprache.

Oder die verwendete Sprache an sich. Neulich las ich einen Krimi. Verfasst war der Text von einem Journalisten (jaja, es sind IMMER Journalisten, die sich als Autor versuchen, örks). Von dem her war anzunehmen, dass er sein Handwerk versteht. Nun, das Handwerk bezüglich Orthographie, Grammatik und Interpunktion stimmte soweit. Was hingegen so ü-ber-haupt nicht hinhaute war die wörtliche Rede. In dem Roman fluchten die Protagonisten herum als ginge es darum einen Wettbewerb zu gewinnen. Schrecklich. Die Fäkalsprache wurde derartig inflationär verwendet, dass es einfach nicht mehr glaubwürdig war. Natürlich fluchen Menschen. Jeder von uns hat mal ein Scheiße, ein Arsch, ein Wi*** von sich gegeben, wenn er sauer war. Aber doch nicht in jedem zweiten Satz? Und schon gleich gar nicht, wenn wir uns mit Polizisten oder Psychologen unterhalten. Ich hege auch meine Zweifel, dass ein Kommissar seine Verdächtige mit Kraftausdrücken nur so eindeckt. Wäre es dabei geblieben, dass die Protagonisten untereinander einen solchen Umgang pflegen, dann hätte ich eventuell noch darüber weggesehen. Aber auch der Erzähler zog so richtig vom Leder!

Unabhängig davon, dass es eindeutig zu viel des guten war, haben alle Charaktere die gleiche Sprache verwendet. Es wäre doch nur natürlich, wenn jemand aus dem gehobenen Dienst (Kommissar) eine entsprechend eluquentere Wortwahl verwendet hätte als ein (abgerissener) drogensüchtiger Verdächtiger, oder? Aber nein, durch die Bank weg haben alle die gleiche Gossensprache verwendet. Höchst glaubwürdig, wirklich.

 

Und dann gibts noch ein Thema, das durchaus nicht aus den Augen verloren werden sollte: die Leser Ihrer Werke sind eigenständig denkende Wesen. Sie werden das, was Sie geschrieben haben, interpretieren.

Das heißt zum Beispiel für "einfache" Krimis und Triller, dass sie schon längst wissen, wer der Bösewicht ist und auch warum. Tun Sie sich und dem Leser den Gefallen und erklären sie nicht zum Abschluss nochmals haarklein, was im Roman vor sich gegangen ist. Zumindest ich fühle mich dann nämlich so, als hätte mich jemand arg unterschätzt. Und wer mag das schon?

 

Interpretation die zweite:

Es gibt immer etwas, das der Leser zwischen den Zeilen herausliest. Auch wenn Sie es so nicht geschrieben haben. Oder - kommt durchaus vor - es gar nicht in Erwägung gezogen hatten.

Ich habe einmal bei einer Jungautorin Korrektur gelesen, die ihre Protagonistin das Haus nicht mehr verlassen ließ. Was mir dabei als erstes durch denk Kopf ging? Die Protagonistin ist depressiv.

Und das hatte die Jungautorin gar nicht sagen wollen. Es gab nach Rücksenden meiner Korrektur einen anstrengenden E-Mail-Wechsel in dem wir beide unsere Standpunkte darlegten.

Ich hatte offenbar meine eigenen Lebenserfahrungen in den Text hineininterpretiert - was mein gutes Recht ist.

Und die Jungautrin hatte sich keine (umfassenden) Gedanken darum gemacht, was dieses Kapitel für einen Eindruck hinterlassen könnte. Das ist übrigens ihr gutes Recht. Ich weiß im übrigen bis heute nicht, wieso die Hauptfigur ihre Wohnung nicht mehr verlassen hatte. Eventuell musste Roman-Zeit geschunden werden? Oder handelte es sich um einen Geistesblitz, der in dem Moment des Schreibens super geklungen hatte ... aber eben nach hinten losging?

 

...

 

Das bringt mich zum eigentlichen Thema:

Jeder Autor braucht Lektoren.

 

Nachdem ich bisher ellenlang auf einzelne Punkte eingegangen bin, möchte ich zu dem Thema kommen, um das es mir eigentlich geht: die Korrektur.

 

Seien Sie ehrlich zu sich. Haben Sie schon einmal einen Text verfasst? Fanden Sie ihn einfach spitzenmäßig? Einfach aus dem Grund, weil er spitzenmäßig sein musste, denn Sie haben ihn mit Herzblut geschrieben?

Ich gebe ihnen recht: Sie haben ihr Herzblut in den Text gelegt. Ich weiß das, denn ich habe das auch schon oft gemacht.

Aber spitzenmäßig?

So leid es mir tut: das ist er nicht.

Und das kann ich sagen, obwohl ich ihn nicht einmal kenne.

Denn - auch das weiß ich aus eigener Erfahung - er enthält Fehler. Sei es Orthographie, sei es Interpunktion, sei es Grammatik oder Semantik. Wenn sie gut sind (oder glück hatten), dann sind Ihnen zumindest keine groben Patzer in der Logik oder dem Spannungbogen unterlaufen.

Dennoch: jetzt ist es an der Zeit, sich mit dem Text auseinander zu setzen. Ihn zu lesen. Fehler zu finden. Sie zu vernichten.

Was Sie dafür als erstes machen sollten?

Stecken Sie ihr Manuskript in eine Schublade. Schließen Sie sie ab. Werfen Sie den Schlüssel weg. Naja, legen Sie den Schlüssel weg.

Vergessen Sie, was sie geschrieben haben, was Sie sagen wollten.

Denn das was sie sagen wollten haben Sie ganz sicher nicht geschrieben!

Es kann sein, dass sie nach einigen Wochen gar nicht mehr verstehen, was da steht. Wie soll es jemand anderes verstehen können?

 

(Eine kurze Anmerkung zu dem vergangenen Absatz und dem, was jetzt auf Sie zukommt: das Selbstlektorat und die Korrektur durch andere gehen Hand in Hand. Das sind Prozesse, die sich gegenseitig ergänzen.)

 

Wenn das passiert ist, kommt das schwerste: Sie brauchen Unterstützung.

Und das ist hart.

Denn jetzt werden sie ihren Schatz an jemanden weitergeben, der ihn lesen wird. Und Sie? Sie können nichts weiter machen als abzuwarten, und zu hoffen, dass Sie nicht in der Luft zerissen werden.

Wenn Sie gelobhudelt werden möchten, dann geben Sie ihren Text an Freunde oder Verwandte. Die werden Ihnen sagen, dass Ihre Geschichte große Klasse ist. Und sie werden sich prima fühlen.

Sofern sie verdrängen, was offensichtlich ist: ihre Freunde wollen ihnen nicht wehtun. Also können sie zu keiner Zeit wissen, ob sie angeschwindelt werden oder nicht.

Nun - ich habe das Glück, dass mein Vater eine ehrliche Haut ist. Ich hatte ihm vor Jahren meine ersten Versuche im Fantasygenre zu lesen gegeben. Ich war stolz wie Osakar. Irgendwann hatte ich ihn gefragt, was er davon halte. Seine Antwort war: "du weißt doch, dass ich mit Fantasy nichts anfangen kann. Ich brauche Realismus." In meinen Augen war das eine sehr höfliche Umschreibung für "Äääääh, Murks." Auch wenn ich ich weiß, dass er keine Fantasy mag, weiß ich genaus gut, dass er zumindest entscheiden kann, ob die Texte einigermaßen lesbar sind. Er hat aufgehört sich durch zu kämpfen. Und das ist ein deutliches Statement - bin ich immerhin seine Tochter.

Nun. Somit wusste ich zwar, dass da was in Argen liegt, aber noch lange nicht was. Denn das ist die Kunst: Sie brauchen jemanden, der a) ehrlich ist und b) bereit dazu seine Freizeit zu opfern um Ihnen zu helfen.

Und mit Hilfe meine ich nicht ein nettes "ooooh, toooooller Text. Hat mir suuuuupiduuuupi gefallen, echt jetzt."

So jemanden können Sie als guten Freund bezeichnen - aber nicht als Hilfe für ihren Text.

Sie brauchen jemanden, der sich das Manuskript ansieht und sagt: "Tjoah, also ... ähh ... die Idee, weißt du? Die Idee ... die ist super ... und die Protagonisten, joah ... auch nett. Aber ..."

Nach diesem "aber" sollte jetzt eine lange, lange Liste kommen mit Dingen, die nicht gepasst haben.

Und Sie werden es hassen(!), dass jemand die Unverfrorenheit hat, diese lächerlichen Kleinigkeiten aufzuzählen, die doch nun wirklich nichts mit ihrer schönen Idee zu tun haben. Die kann man doch getrost vergessen ...!

Nein!

Kann man nicht!

Denn: je länger die Liste desto wertvoller ist dieser Mensch für ihren Text. Die Länge der Liste hat ersteinmal nichts mir Ihrer Befähigung zu tun, ob Sie schreiben können oder nicht. Die Länge hat etwas damit zu tun, wo der Feinschliff fehlt. Sehen Sie ihr Manuskript als Rohdiamanten (herrje! Was für ein abgedroschener Vergleich ...), der geschliffen wird. Je mehr "Gemecker", desto mehr "Poliermittel".

Wissen Sie, was wirklich bedenklich wäre?

Wenn ein solcher Mensch, der wirklich achtsam mit Ihrem Text umgehen könnte, schlicht sagt: "Jo, des passt scho."

Denn dann hat er kein Interesse. Im schlimmsten Fall, weil er kein Potential in Ihrem Text sieht.

Also: beißen Sie die Zähne zusammen. Ertragen Sie die Trauer, die Wut, den Ärger über die Fehler und die Vorschläge. Sehen Sie ihren Text nur als das was er ist: Buchstaben auf dem (virtuellen) Papier. Lösen Sie sich emotional ein Stück weit.

Ich verspreche hoch und heilig: wenn Sie das erste Mal eine Korrektur "überlebt" haben, dann erkennen Sie wie wertvoll jeder einzelne Tipp sein kann. (Und hey: Sie müssen ja nicht alles übernehmen.)

 

Soweit das ganze aus der Sicht des Jungautoren.

 

Jetzt wechsel ich die Seite.

Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Studenten ausgebildet hatte? Dabei habe ich meine ersten Erfahrungen damit sammeln könnten, wie es ist eine zeternde, heulende Meute vor sich stehen zu haben, die gar nicht verstehen kann, wieso das Protokoll knallrot zurückgekommen ist.

Glauben Sie mir: das ist kein Vergnügen. Da hilft nur: Augen zu und durch.

Die Protokolle waren falsch. Punkt. Aus. Basta. Und ich habe das getan, was damals (glücklicherweise) auch mit meinen Protokollen gemacht wurde: ich habe sie zerpflückt. Jeder Dozent, der sich während meines Studiums diese Mühe gemacht hat, betrachte ich heute als Segen. Auch wenn ich das damals (ähnlich wie "meine" Jungspunde) zum k*** fand.

Was mich als Dozentin wirklich mitgenommen hatte, war der Umstand, dass einige Studenten ihre Arbeit mit sich selbst gleichgesetzt haben. Ich hatte eine Studentin im Grundkurs zur Lipidomic der ich ihr Protokoll auseinander genommen habe - und die mich dann weinend angerufen hat. Oh ha! Ich sag Ihnen, da sitzen Sie erstmal zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite stehen sie hinter Ihrer Korrekturarbeit, auf der anderen Seite empfinden sie Mitgefühl für das arme Wesen am anderen Ende der Leitung. Denn dieses Wesen hat etwas Grundsätzliches verwechselt: Sie haben ihre Arbeit kritisiert - aber doch nicht den Menschen, der sie gemacht hat. Das gehört getrennt! Rigeros!

Nun. Abgesehen von emotionalen Ausbrüchen haben mich drei weitere Dinge zumindest irritiert:

Ich hatte einen, der ein Lehrbuch abgeschrieben hatte, welches ich zuvor empfohlen hatte ... - ohne Worte -

Dann gabs Studenten, die geglaubt haben, dass ich den Text beim zweiten Mal durchwinke, obwohl sie NICHTS geändert hatten. Habe ich nicht durchgewunken. Wo kommen wir denn da hin?

Dann gabs Studenten, die zwar verbessert haben, aber ohne bei der Sache zu sein. Soll heißen, sie haben verschlimmbessert. Auch ne Variante, mich auf die Palme zu treiben.

 

Das was Studenten versuchen, versuchen auch Jungautoren. Wenn auch aus anderen Beweggründen. Bei einem Werk geht es nicht um die Note, die in dieser Form ja nicht vergeben wird. Wohl aber "durch die Blume", wenn es um Verkaufszahlen und Rezensionen geht ...

Und ich muss sagen: da hört es bei mir auf.

Ich korrigiere gerne die Texte von anderen. Weil ich glaube, dass ich helfen kann. Und weil ich - jaja, ich gebe es zu - meine Zeit als Dozentin vermisse und einfach gerne klugscheisser.

Ich bin geduldig und ich bin nachsichtig. Weil ich beide Seiten kenne. Ich weiß wie ätzend es ist, wenn jemand wildfremdes an den eigenen Ergüssen rumbastelt.

Es kommt aber immer wieder vor (vor allem in Foren), dass Jungautoren ihre Geschichte posten und erwarten, dass jeamand Korrektur liest. Soweit so gut. (Und auf die Trolle gehe ich an dieser Stelle gar nicht erst ein.) Dann finden sich auch hilfsbereite Wesen und geben ihre Freizeit und ihr Bestes. Ich ERWARTE gar nicht, dass alle meine Anmerkungen Anklang finden oder gar umgesetzt werden. Was ich ERWARTE ist eine kurze Rückmeldung. Sowas wie "Danke". Ist das zu viel verlangt?

Was ich NICHT erwarte ist eine mehr oder minder hübsch verpackte Variante von "ach, du hast doch eh keine Ahnung." Liebe, liebe Jungautoren, die mir über den Weg gelaufen sind und noch über den Weg laufen werden: Hätte ich keine Ahnung, hätte ich die Goschen gehalten. Sie kennen das doch sicher: "Einfach mal die Fre*** halten."

Nun. Das wollte ich einfach mal gesagt haben.

 

Nein. Einen Moment noch. Nicht dass es zu Missverständnissen kommt und sic der ein oder andere Jungautor auf den Schlipps getreten fühlt:

Es geht in erster Linie und ausschließlich um den Text.
Und weil ich mit als Korrekturleser bewusst bin, dass hinter diesem Text ein Mensch steht, der sich wirklich Mühe gemacht hat (vlg. dazu auch ziemlich weit oben ...), versuche ich meine Kritik sachlich zu halten. Das würde ich mir umgekehrt nämlich genauso wünschen. Zudem weiß ich ja nicht, wie zart besaitet der Autor ist.
Menschen, die ich schon längere Zeit (auch virtuell) kenne, und daher einschätzen kann, "haue" ich schon mal den ein oder anderen ironischen oder sogar sarkastischen Kommentar um die Ohren. Die wissen dann aber auch wie es zu verstehen ist. Nämlich so, dass ich mir einen Spaß erlaube und damit auch transportieren will, dass ich mit Freude und voller Aufmerksamkeit bei der Sache bin. Außerdem vertrete ich die Auffassung, dass jede "Arbeit" auch ihren spaßigen Faktor braucht.
Bei Autoren, die mich nicht kennen, versuche ich auf "sidekicks" dieser Art zu verzichten. Zum einen wissen die nicht, wie ich "ticke" und zum anderen weiß ich nicht, wie sensibel sie reagieren. Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen. (Das könnte ich nämlich auch leichter haben - ohne die Arbeit eines Lektorats.)

 

 

Es grüßt (und dankt fürs Durchhalten bis hier her)

 

Marina Clemmensen