Prügelknabe George

Ein Rentner schwingt den Pinsel

und erntet nichts als Häme

 

Um von Vorneherein eines deutlich klarzustellen: ich hielt und halte nichts von Geroge W. Bushs (Himmel, kommt da jetzt ein Apostroph hin, oder nicht?) Politik. Zumindest nichts von der, die mir bekannt ist und jetzt, beim Tippen dieser kurzen Zeilen, erneut vorm geistigen Auge schwebt und meinen ohnehin nicht geringen Blutdruck um das ein oder andere Torr nach oben treibt. Kriegstreiber und -gewinnler wären fast schon euphemistische Begriffe, die ich mit dem (ehemaligen) Präsidenten(sohn) spontan in Verbindung bringe. Die Erweiterung der Bay Naval Base in Guantánamo – einem Hort des friedlich-freundlichen Miteinanders verschiedenster Kulturen – welche, im Übrigen, nach wie vor nicht wieder abgeschafft wurde … ach, auch darum soll es hier gar nicht gehen.

Nein, ich will mich nicht weiter auf Bushs Verfehlungen einschießen; das können andere viel besser als ich. Detaillierter und – wenn sie es gut machen – bei weitem zynischer. Ich verlinke Ihnen weiter unten ein schönes Beispiel dazu (welches Sie, so hoffe ich, bereits kennen).

 

Nein, mir geht es in diesem kurzen Text vor allem darum, meinem Unverständnis Ausdruck zu verleihen, das mich vorhin überfallen hat. Hinterrücks und vollkommen unerwartet.

 

Ich gehöre zu den Menschen, die ihr E-Mail-Fach als notwendiges Übel betrachten. Ja, so was gibt es noch. Vielleicht werde ich auch einfach alt …

Letzten Endes läuft es darauf hinaus, dass ich – je nach Tagesform (sprich: Lust) – einmal am Tag oder – um der Wahrheit die Ehre zu geben – einmal die Woche meinen E-Mail-Provider ins Browserfenster hacke und mehr oder weniger gespannt (eher weniger) darauf warte, bis sich mein Postfach öffnet. Da ich wenige Kontakte über den elektronischen Weg pflege (wie gesagt: ich werde alt. Ich bevorzuge Treffen vis-à-vis oder, wenn es gar nicht anders geht, tausche ich mich über das Telefon aus), informieren mich überwiegend spaßige Mitbürger über die, in ihren Augen, weltbewegenden Dinge des Lebens. Meine Favoriten sind dabei ganz eindeutig Natalja (wahlweise auch Natascha oder Nadeschda), die „gut Mann sucht“, sowie fürsorgliche Damen und Herren, die mir Viagra ans Herz legen wollen. Falls es Ihnen entgangen sein sollte: ich zähle zu den weiblichen Vertretern unserer Art.

 

Jedenfalls: mein E-Mail-Anbieter hübscht seine Seite damit auf, in kurzen, prägnanten Artikelchen seinen Kunden die unendlichen Weiten der leichten Unterhaltung näherzubringen. Juuut, man muss sich die Artikel nicht ansehen (von durchlesen kann ohnehin nur beschönigend die Rede sein). 

Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: ich schätze meinen E-Mail-Provider. Ich habe eine E-Mailadresse unter der ich zu erreichen bin und muss für diesen Service nichts bezahlen. Dass mein E-Mail-Provider diesen Dienst mit Werbung und Larifari-Artikeln gegenfinanziert, halte ich für legitim. Zwingt mich schließlich niemand, sie zu beachten.

 

Aber nun ja. Lange Rede, kurzer Sinn: heute Morgen nuckelte ich abwechselnd an meinem Kaffee sowie meiner E-Zigarette und rief meinen E-Mail-Provider auf. Ich warte nämlich auf einen lustigen Link, der etwas mit Pavianen und Hunden zu tun hat und wollte mal schauen, ob er sich schon in mein Postfach verlaufen hat …

Ehe ich mich einloggen konnte, blieb mein verschlafener Blick an einer Schlagzeile hängen.

 

George W. Bush macht "Kunst"

(Link weiter unten)

 

Mal eine naive Frage: kommt „Schlagzeile“ eigentlich von „schlagen“?

Und ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viel Bedeutung ein paar Gänsefüßchen haben können? (Japp, ich nenn' die Dinger so. Basta.)

Dummerweise gab es in fünf Wörtern direkt mal vier (drei in Kausalität), welche meine Neuronen wie wild feuern lassen.

„Uiuiui“, dachte ich mir, „Bushbashing! Da bin ich dabei!“ und klickte mit voller Begeisterung auf den Link.

Ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch …

 

Was sahen meine müden Augen? Ein paar Fotos, die Bilder zeigten, welche die Mächtigen der Welt porträtierten. Nicht sonderlich gut aber auch nicht sonderlich schlecht. Ich meine ja sowieso, dass Kunst im Auge des Betrachters liegt; und damit bin ich nicht allein.

Mein Dad beispielsweise hat einen sehr schönen Ausdruck dafür parat, der etwas ähnliches umschreibt: „des Kaisers neue Kleider“.

Sie kennen das Märchen sicherlich: ein Kaiser beauftragt einen Schneider damit, ihm das prächtigste Gewand zu fertigen, welches die Welt je gesehen hat. Oder meinetwegen auch nur das Kaiserreich. Was aber wohl auf das Selbe hinausliefe. Jedenfalls hat sich der Schneider überlegt, es wäre eine schöne Sache, den Kaiser zu foppen und näht an … nichts. Aber er erzählt dem Kaiser, pfiffig wie er ist (also der Schneider ist pfiffig, nicht der Kaiser, klar), dass dieses Gewand nur von denjenigen zu erkennen ist, die schlau genug dafür sind. Und welcher Kaiser will schon als Idiot dastehen? Ende vom Lied: der Kaiser läuft nackig durch die Menge seiner Untertanen, die ihm jubelnd ihre Begeisterung kundtun, denn – und das darf nicht unterschätzt werden – die Buschtrommeln haben wunderbar funktioniert. Alle wussten, dass die Kleider des Kaisers nur von den Klugen im Land zu sehen wären und niemand wollte sich als minderbemittelt outen. Verständlich, irgendwie. Man darf in der Gesellschaft nämlich vieles sein, aber bitte nicht dumm. Das wiederum führt mich zu weiteren interessanten Themen (Blender beispielsweise), die ich hier jetzt aber nicht weiter ausführen möchte. Weil ich mich sonst doch allzu weit von meiner eigentlichen Intention verabschieden würde.

Jedenfalls: auch Kunst, die … äh … schlecht ist, wird – sofern sie von den richtigen Leuten (sprich: die mit Leumund oder Geld oder beidem) gehypt wird – zu großer Kunst in den Augen aller. Denn wer will schon als Kunstbanause dastehen?

 

So. Zurück zu den Bildern des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich finde, man kann die dargestellten Personen wunderbar erkennen. Den Malstil würde ich als naiv bezeichnen wollen. Sie wissen schon: naive Kunst. Und wenn ich mir den Wikipediartikel so anschaue, habe ich damit nicht einmal unrecht. Als naive Kunst werden Arbeiten von Laienkünstlern betrachtet, die – was der Begriff Laie wunderbar beschreibt – keine Fachausbildung genossen haben. Das dürfte also auf so ziemlich jeden zutreffen, der schon einmal den Pinsel geschwungen hat. Prozentual betrachtet, halt. Inzwischen haben es Werke der naiven Kunst auch schon in Museen geschafft und hängen neben den großen Meistern. Metaphorisch gesprochen. Ob sie de facto direkt daneben hängen, hängt sicherlich vom einzelnen Museum ab. Wie auch immer …

 

Bush Junior hat also den Pinsel geschwungen. Soweit so gut. Soweit so normal. Ich meine: immerhin ist der Mann in Rente. Oder wie sein Zustand halt genannt wird. Ich nehme an, wenn er nicht grade mit seinen republikanischen Parteifreunden einen Plausch hält oder eine Rede schwingt (sofern ihm noch jemand zuhört) hat er Zeit. Viel Zeit.

Und ich finde – ganz ohne Jux –, dass es wichtig ist, sich ein Hobby zuzulegen, sobald der Ruhestand vor der Tür steht. Spätestens dann, versteht sich.

Denn sonst fällt einem die Decke auf den Kopf.

Metaphorisch, klar.

Wobei … je nach Grad eines auftretenden wilden Aktionismus in Verbindung mit einer tragenden Wand, die schon immer mal weg sollte, weil sie unschön den Blick versperrt … dann verlässt das Problem den metaphorischen Pfad.

Egal.

 

George hat also Zeit und bringt gerne Farbe auf die Leinwand.

Vollkommen in Ordnung. Ganz ehrlich.

Er porträtiert gerne. Meiner Meinung nach ist das die Königsdisziplin. Gesichter sind nicht soo einfach, wissen Sie? Haben Sie es mal probiert?

Und wie gesagt, wirklich schlecht sind seine Porträts nicht.

Dass sich Mr. Bush Menschen aussucht, die etwas darstellen, dass er selbst nicht mehr hat – Macht – ist nun wirklich nicht verwerflich. Er war der mächtigste Mann der Welt (das wäre wieder ein Thema, aber hallo!) … sagen wir: er war auf dem Papier der mächtigste Mann der Welt und ist es jetzt nicht mehr. Das ist ein schwerer Verlust. Ohne Jux. Ich meine es ernst.

Porträts der Mächtigen als Ersatzbefriedigung?

Vielleicht.

Malen als Therapie?

Möglicherweise.

Da will ich auch gar nichts weiter hineininterpretieren.

Auf den Punkt gebracht: ein Rentner, der den Pinsel schwingt.

 

Besser jedenfalls, als in die nächste Eckkneipe zu pilgern und den Stammtisch aufzumischen.

Dürfte Mr. Bush ohnehin nicht machen. Ich weiß nicht, ob es in den USA alkoholfreies Bier gibt, aber – sind wir mal ehrlich – unalkoholisiert macht ein Stammtisch eh keinen Spaß. Gleiches gilt für einen Frühschoppen. Wobei ich auch hier nicht weiß, ob das überhaupt zur texanischen Tradition gehört …

Weiter im Text.

Jetzt hat der alte Mann noch jede Menge Verbindungen und er ist nach wie vor bekannt. Beides führt dazu, dass er die Gelegenheit hat, die Früchte seines Schaffens der großen Öffentlichkeit zu präsentieren.

(Ein präsentierender Ex-Präsident. Wortwitz, muahahaha!)

Wieso sollte er darauf verzichten?

Wer würde denn bitte schön nicht die Gelegenheit nutzen, die eigenen Bilder auszustellen?

Bush verfügt immerhin über eine Persönlichkeit, die darauf angewiesen ist, sich zu zeigen. Muss er haben, sonst hätte er sich das Präsidentenamt nicht angetan (lassen wir den Ehrgeiz seines alten Herren mal weit außen vor, sonst drängen sich Vergleiche mit diesen armen Geschöpfen hier auf:  *Klick*). Ich gehe so weit zu behaupten, dass kein Politiker in hoher Position ohne eine ordentliche Prise Narzissmus dort angekommen wäre, wo er heute ist. Ich möchte diese Aussage übrigens als wertfrei verstanden wissen.

 

So. Inzwischen habe ich schon fast sechs Normseiten vollgehämmert.

Jetzt möchte ich – endlich – auf den Punkt kommen.

Mein E-Mail-Anbieter stellt also eine Bilderstrecke zur Verfügung, welche einige der Arbeiten des George W. Bush auflistet - jedoch nicht, ohne auf eine gehörige Portion Häme zu verzichten.

Beispiel gefällig?

Zitat:

 

Eines der Hauptwerke der Ausstellung zeigt die mächtigste Frau der Welt: Kanzlerin Angela Merkel. Und obwohl Bush zu denjenigen gehört, die die Kanzlerin tatsächlich des Öfteren getroffen haben, wählte er als Vorlage … nicht etwas die echte Merkel, sondern eindeutig dieses Porträt von ihr; so zu finden im Pressebereich des Internetauftritts der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag – und eines der ersten Vorschläge der Bildersuche.*

 

Aha.

 

Der ach so unfähige Bush hat also Google bemüht.

 

Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen …

Also mal ehrlich: er hat Google genutzt – offenbar nicht mal sonderlich lang und akribisch –, statt sich bei einer der vielfältigen Gelegenheiten Frau Merkel zu schnappen und sie dazu zu verdammen, stundenlang Model zu sitzen?

Wie kann er nur?!?

 

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie abgrundtief dämlich (oh ja, dieses Mal werte ich) diese Bildunterschrift ist. Bin ich eventuell auf einer Seite des Springerverlages gelandet? Vielleicht sollte ich einmal googlen … wobei … ist ja nicht so gut. Zu googlen, meine ich. Steht ja da.

 

So bleibt mir nur mit dem Kopf zu schütteln und ein paar Minuten darauf zu verwenden, meine Entgeisterung niederzuschreiben und mit der (deutschsprachigen) Welt zu teilen.

 

Noch einmal eine Anmerkung; zum guten Schluss:

Klar. Für unfähig halte ich ihn durchaus, den Mr. Bush. Allerdings vor allem, was seine (Außen)politik angeht.

Und ich bin nun wirklich sehr dafür zu haben, wenn es ums herzhafte Bushbashing geht. Wirklich. Ehrlich. Es macht mir Spaß. Es baut Spannungen ab und – nicht zu unterschätzen – es lenkt den Blick fort von aktuellen und wichtigeren Problemen dieser Welt. Da bin ich ehrlich. Ich bin ein Mensch. Wir Menschen lästern gerne und kümmern uns eher weniger gern um wirkliche, echte Baustellen.

 

Mal davon ab ist Bushbashing endlich salonfähig :-D

 

Aber bitte schön, liebe Redaktion, welches Zeuch habt ihr geraucht, als ihr die Bildunterschriften zusammengeklöppelt habt? Nehmt auf jeden Fall weniger davon. Danke.

Denn mit dieser Bilderstrecke habt ihr vor allem euch selbst der Lächerlichkeit preisgegeben. Ich hoffe, das ist euch bewusst.

 

 

 

* Anmerkungen am Rande:

- Kanzlerin ist keine Berufsbezeichnung, auch wenn sich dieses Unwort inzwischen eingebürgert hat. Genderbewegung sei Dank (oh? Noch ein Thema. *freu*).

- der niedliche Flüchtigkeitsfehler „etwas“ stammt nicht von mir.

- Wortdoppelung („[…] gehört, die die Kanzlerin […]“) sollte wirklich wirklich verboten werden, es sei denn, sie dient als bewusst eingesetztes Stilmittel.

 

 

 

Stein des Anstoßes:

George W. Bush macht „Kunst“

(Ich weiß nicht, wie lange der Link noch online sein wird. Hier finden sich jedoch weitere Bilder.)

 

 

Ein wirklich sehenswertes Video:

Volker Pispers: History of USA / die Geschichte der USA

(leider in extrem schlechter Bildqualität, aber dafür mit englischen Untertiteln)

 

Und hier gibt es das gute Stück für die Klickfaulen ;-)

 

 

 

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